1. HCC-Akademie: Stressmanagement – Interview mit Jens-Falk Heimann

1. HCC-Akademie: Stressmanagement – Interview mit Jens-Falk Heimann

Das erste HUMAN CAPITAL CARE Akademie Webinar wird Ihnen morgen einen Überblick über die wichtigsten Themen des betrieblichen Gesundheitsmanagements liefern. Am 17. April referieren sieben hochkarätige Experten aus Bereichen Markt, Management, Ausbildung, Ernährung, Bewegung, Psyche und Arbeitsplatz. Im Vorfeld des Webinars haben wir mit den Referenten Interviews geführt, um Ihnen schon vorab einen kleinen Einblick in die jeweiligen Schwerpunkte gewähren zu können.

Jens-Falk Heimann, Inhaber der Beratungsfirma Bachmayer, Heimann Partnerschaft und Leiter des Burnout-Helpcenters Stuttgart, wird im 1. HUMAN CAPITAL CARE Akademie Webinar über das Thema „Was macht Mitarbeiter psychisch krank?“ sprechen.

Herr Heimann, bitte stellen Sie sich und Ihre Arbeit kurz vor!

1. HCC-Akademie: Stressmanagement – Interview mit Jens-Falk Heimann
Bild: Jens-Falk Heimann

Mit meinem Geschäftspartner, Timo Bachmayer, habe ich ein Unternehmen gegründet, welches sich mit der Begleitung von Burnout-Betroffenen und der Beratung von Menschen, Unternehmen, Organisationen und Institutionen im Bereich Stressmanagement beschäftigt. Wir bieten in allen drei Stufen der Prävention praxistaugliche Angebote zur Stressvorbeugung, zum Stressabbau und letztendlich ebenso die Thematik Wiedereingliederung an. Dabei verfolgen wir einen lösungsorientierten, systemischen Ansatz. Das heißt, wir arbeiten sowohl auf kognitiver, sozialer, emotionaler, physischer, systembedingter und umweltbedingter Ebene. Jeder Mensch bzw. jedes Unternehmen erhält nach einem Gutachten bzw. Audit einen maßgeschneiderten Plan und natürlich Hilfe bei der Umsetzung der empfohlenen Maßnahmen.

Wie sah ihr Weg vom Fitnesstrainer zum Referent für BGM mit Schwerpunkt Stressberatung aus?

Vor 22 Jahren startete ich nach meinem Sportwissenschaftlichen Studium meine berufliche Karriere als Fitnesstrainer in einem Studio. Bereits nach wenigen Jahren war ich Betriebsleiter einer großen Multifunktions-Freizeit- und Wellnessanlage mit voller Personalverantwortung. Die Anforderungen an Führungsverhalten, Teambildung, Durchsetzung kaufmännischer Grundsätze usw. überforderten mich zu diesem Zeitpunkt völlig, so dass ich selbst in einen Burnout-Prozess rutschte. Der Schritt zurück als sportlicher Leiter einer heute bekannten Fitnesskette half mir, mein vorhandenes Potential auszuschöpfen und erste Erfahrungen im Bereich BGM zu sammeln. Vor zehn Jahren entschloss ich mich, selbständig als Personal Trainer zu arbeiten. Über meine Kunden erhielt ich Firmenkontakte und baute mit Hilfe meiner Netzwerkpartner das BGM-Engagement weiter aus. Ich erkannte, dass Stress ein immer wichtigeres Thema sowohl für meine privaten Kunden als auch bei den Unternehmen wurde. Nach und nach richtete ich meine weitere Ausbildung in diese Richtung aus und schaffte somit den erweiterten Grundstein meiner heutigen Tätigkeit. Somit kann ich Ihnen nun als Dipl. Sportwissenschaftler, Wirtschaftsfachwirt, systemischer Coach und Burnout-Lotse® (Gutachter, Auditor, Supervisor) ein umfassendes Know-how anbieten.

Welche Zusammenhänge bestehen zwischen körperlicher Fitness und psychischer Gesundheit?

Wir wissen schon lange, dass körperliche Bewegung positive Auswirkungen auf unsere allgemeine Gesundheit hat, so auch auf unsere psychische Gesundheit. Die Zusammenhänge allerdings sind noch nicht bis ins Detail geklärt. Die Wissenschaft machte in den letzten Jahren aber große Fortschritte. So weiß man jetzt, dass sogenannte „Myokine“, das sind hormonähnliche Stoffe, die in den Muskeln bei Aktivität gebildet werden, für viele positive Prozesse vor allem im Stoffwechsel verantwortlich sind. Die Wissenschaftler entdeckten, dass der Botenstoff Brain Derived Neurotropic Factor (BDNF) den Abbau von Nervenzellen verhindert und den Neuaufbau von Nervenzellen und die Vernetzung fördert.

Weiter wissen wir, dass Stress ein hormoneller Prozess ist und durch Bewegung Stresshormone wie z.B. Kortisol am schnellsten abgebaut werden können. Es gibt also einen direkten Zusammenhang zwischen Bewegung und psychischer Gesundheit. Deshalb werden Bewegungskonzepte z.B. bei der Therapie von Depressionen genutzt.

Was macht ein gutes Stressmanagement aus?

Stressmanagement sollte immer umfassend, also systemisch, betrachtet werden. Als erstes sollte ich sowohl als Einzelperson als auch als Unternehmen die vorhandenen Stressoren erkennen und interpretieren können.

Eine ganzheitliche Betrachtung von Stressoren ist dabei essentiell. Unterschiedliche Thematiken und Bereiche wie z.B. kognitive, soziale, organisatorische und strukturelle, emotionale, physische und umweltbedingte Stressoren sind hierbei von Nöten. Wir bieten daher die Möglichkeit, ein Gutachten oder ein Audit durchzuführen.

Grundsätzlich gibt es zwei Strategien, mit Stress umzugehen. Den Stressor verändern oder die Einstellung zum Stressor durch Verhaltensschulung zu verändern. Schon die alten Griechen erkannten, was die Menschen bewegt, sind nicht die Dinge selbst, sondern die Ansichten, die sie von diesen haben.

Veränderungen von Stressoren müssen auf die Wirtschaftlichkeit überprüft werden. Da die Beurteilung von Situationen verschieden sein kann, ist die Gewichtung der einzelnen Stressoren so individuell wie ein Fingerabdruck. Was den einen stresst lässt den andern völlig kalt. Es müssen also Mehrheitsverhältnisse beachtet werden. Nur ein individueller Maßnahmenplan, zugeschnitten auf die Besonderheiten, kann nachhaltig wirken.

Verhaltensschulungen, dazu zählen z.B. Kommunikationsschulungen, Führungskräftecoaching und Aufklärungsveranstaltungen sind ein wichtiger Bestandteil des Stressmanagements. Gutes Stressmanagement geht hier nicht nach dem Gießkannenprinzip sondern nach individueller Analyse des Bedarfs vor.

Eine Qualitätskontrolle in Form von z.B. Feedbackrunden begleitet alle Maßnahmen und sichert den Erfolg und die Nachhaltigkeit des Stressmanagements.

Stressmanagement ist als Führungsaufgabe im Gesamtmanagement zu integrieren. Erkennt das Management dies nicht, sind alle untergeordneten Maßnahmen nur Alibiveranstaltungen, die keine nachhaltige Wirkung erzielen.

Wo liegen häufig die Probleme im Umgang mit Stress im Berufsalltag?

Stress ist ein wesentliches Merkmal für Veränderungen und Weiterentwicklung des Lebens an sich. Doch wie mit vielen wichtigen Sachen ist die Dosis entscheidend für die Gesundheit. In den letzten Jahrzehnten hat es eine enorme Veränderung der Arbeitswelt bedingt durch Globalisierung, Technisierung, Arbeitsverdichtung, Personaleinsparung usw. gegeben. Gleichzeitig verändert sich auch das soziale Umfeld, z.B. durch neue Medien, höhere Scheidungsraten usw. Stress ist heute also ein allgegenwärtiges Thema. Was vielen nicht bewusst ist, sind die enormen Auswirkungen von chronischem Stress auf unsere Gesundheit. Diabetes, Rückenbeschwerden, Herz-Kreislauferkrankungen, Magen-Darm-Probleme, Atemwegserkrankungen usw. sind zu einem großen Teil mitverursacht von psychischen Belastungen. Viele Arbeitnehmer nehmen den Stress in Ihrem Berufsalltag als gegeben hin und fühlen sich in einer Spirale, in der sie keinen Ausweg sehen. Die Hilfsangebote, die es gibt, werden nicht ausreichend in der Öffentlichkeit wahrgenommen. Angst vor Repressalien durch den Arbeitgeber, Versicherungen und Krankenkassen lassen den Betroffenen zögern, Hilfsangebote wahrzunehmen. Nach wie vor sind stressbedingte psychische Probleme ein Tabuthema in vielen Firmen, vor allem, wenn es Führungskräfte betrifft.

Da Stress hauptsächlich von der individuellen Lern- und Erfahrungsgeschichte, der genetischen Disposition und den erworbenen Denkmustern des Einzelnen abhängt, sehen sich die meisten Firmen nicht in der Pflicht, etwas dagegen zu tun. Vielmehr soll jeder selbstverantwortlich sich darum kümmern, dass er sein Verhaltensmuster überprüft und verändert. Dass vielen die Eigenerkenntnis verwehrt ist, wird dabei häufig übersehen.

Der ROI ist bei Stressmanagement schwer zu ermitteln, da die Auswirkungen bei den Betroffenen so vielseitig sein können, daher fehlt meist eine direkte Zuordnung. Deutlich lassen sich jedoch oft erhöhte Fehlzeiten registrieren. Wesentlich schadhafter für Unternehmen ist überraschenderweise der sogenannte Präsentismus, darunter versteht man Kosten, welche durch Leistungs- und Produktivitätseinbußen durch eine verminderte Arbeitsfähigkeit der Betroffenen entstehen.

Was erwartet die Teilnehmer des 1. HUMAN CAPITAL CARE Akademie Webinars bei Ihnen?

Wie wirkt Stress auf unserem Körper und warum ist das so? Welche Erkenntnisse aus der Hirnforschung gibt es und wie können wir diese in der Praxis nutzen? Wie sieht ein wirksames und nachhaltiges Stressmanagement aus?

Ich zeige Ihnen auf, wie Sie Stressmanagement als wirksame Maßnahme gegen demografischen Wandel und Fachkräftemangel einsetzen können.

Welche Stressauslöser sind vermeidbar? Wie kann man generell einen besseren Umgang mit Stress, der nicht umgänglich ist, erreichen? Ich biete Ihnen Lösungsansätze, um Ihr Unternehmen stressresistenter zu gestalten und die Gesundheit Ihrer Mitarbeiter mit Ihren Möglichkeiten zu erhalten.

Vielen Dank für das Gespräch!

>> Zum Unternehmensprofil der Bachmayer, Heimann Partnerschaft

Weitere Informationen zur Veranstaltung im HCC-Kalender

HCC Redaktion

... schreibt über alle möglichen Themen rund um Mitarbeitergesundheit und Personal. Wichtige Schwerpunkte liegen auf der Arbeitsplatzgestaltung, Psyche, Ernährung, Bewegung und weiteren Einflussfaktoren nachhaltiger Gesundheitsprävention. Neben Fachartikeln und Tipps & Tricks-Beiträgen werden Interviews mit einschlägigen Persönlichkeiten zu BGM, BGF und mehr veröffentlicht.

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