Die Rente mit 67 ist zwar besonders für Menschen mit körperlich anstrengenden Berufen ein Problem. Höher qualifizierte Angestellte stehen ihr allerdings ebenfalls kritisch gegenüber, zeigt eine aktuelle Untersuchung.
Gut Ausgebildete gehen in ihrem Job auf und fürchten sich eher vor dem Ruhestand als ihn herbeizusehnen. Wie viel ist dran an diesem Klischee? Das haben Prof. Dr. Michael Behr, Abteilungsleiter im Thüringer Wirtschaftsministerium, und Anja Hänel von der Universität Jena untersucht. Ihre Pilotstudie beruht auf einer Befragung von 101 qualifizierten oder hoch qualifizierten Beschäftigten in Jena, einer der deutschen Städte mit den höchsten Akademikerquoten. Ein Aufsatz der Forscher ist in den WSI-Mitteilungen erschienen, der Fachzeitschrift des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) in der Hans-Böckler-Stiftung.
Bei der Befragung zeigt sich: Es ist richtig, dass sich diese Gruppe besonders mit ihrem Beruf identifiziert. Drei Viertel sagen, die Arbeit leiste einen hohen Beitrag zum Lebensglück. Sie erfüllen anspruchsvolle Aufgaben, “fühlen sich als Person anerkannt” und sehen die Firma als “produktive Leistungsgemeinschaft”.
Allerdings heißt das nicht, dass der Beruf keine Belastung darstellt: “Trotz positivem Leistungsbegriff und hoher Arbeitszufriedenheit empfinden die Angestellten bereits in den 50ern, dass ihnen die Arbeit nicht mehr so leicht von der Hand geht”, schreiben die Wissenschaftler. Ursache sind die unabhängig vom Alter gleichbleibend hohen Leistungsanforderungen, die an die höher qualifizierten Angestellten gestellt werden. Tendenziell geben Frauen bereits etwas früher zu Protokoll, dem Leistungsdruck immer weniger standhalten zu können – was den Forschern zufolge an der Mehrfachbelastung durch berufliche und familiäre Arbeit liegen könnte. Ein Drittel kann sich nicht vorstellen, den Job bis zur Rente durchzuhalten. Bei den Männern ist es ein Fünftel.
Fast 60 Prozent der Befragten planen, vor dem gesetzlichen Rentenalter in den Ruhestand zu gehen. Und sie freuen sich darauf, endlich die Dinge nachholen zu können, für die im stressigen Berufsalltag keine Zeit war. Drei Viertel der 60-Jährigen unter den Befragten glauben, dass es ihnen besser gehen wird, wenn sie erst in Rente sind. Verstärkte Rücksichtnahme auf Ältere attestierten ihrem Arbeitgeber nur 16 Prozent aller Befragten. Vielmehr werde in vielen Betrieben und Einrichtungen bisher ein gesteigerter Verschleiß der Arbeitskräfte in Kauf genommen.
Das Fazit der Wissenschaftler: Die Rente mit 67 wird zumindest von denen, die es sich leisten können, “unterlaufen”, solange die betrieblichen Voraussetzungen für “alternsgerechtes Arbeiten” fehlen.
Wichtige Fachkräfte schieden so vorzeitig aus den Betrieben aus.
Weitere Informationen:
Michael Behr, Anja Hänel: Höher qualifizierte Angestellte als Lebenskraftkalkulierer – Eine Herausforderung für die betriebliche Alterspolitik. In: WSI Mitteilungen 2/2013.