Das Robert Koch-Institut hat erste Ergebnisse des neuen großen Erwachsenen-Gesundheitssurveys vorgestellt, mit Daten zu Übergewicht, Diabetes, körperlicher Aktivität, psychischer Gesundheit und Funktionseinschränkungen im Alter. Das Erhebungsprogramm der “Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland” (DEGS) bestand nicht nur aus mehreren Befragungen, sondern auch aus körperlichen Untersuchungen und Tests sowie Laboruntersuchungen von Blut- und Urinproben. “Die gewonnenen Daten zu Gesundheitsstatus, Versorgung, Gesundheitsverhalten und Lebensbedingungen sind eine solide Basis für die bedarfsgerechte gesundheitspolitische Planung und die Weiterentwicklung der Präventionsmaßnahmen in Deutschland”, betont Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr.
“DEGS ist Teil des Gesundheitsmonitorings, neben dem Infektionsschutz das zweite große Aufgabengebiet des Robert Koch-Instituts”, erläutert Reinhard Burger, Präsident des Robert Koch-Instituts. Das Gesundheitsmonitoring, die kontinuierliche Erfassung und Analyse des Gesundheitszustands der Bevölkerung, wird vom Bundesministerium für Gesundheit und vom Robert Koch-Institut finanziert. Zuletzt war ein solcher Survey Ende der Neunzigerjahre durchgeführt worden (“BGS98”). Die Datenerhebung bei DEGS fand von November 2008 bis Januar 2012 statt.
Beim Anteil der Übergewichtigen (67,1 % bei Männern, 53,0 % bei Frauen) gab es keine großen Veränderungen gegenüber 1998. Bei Adipositas ist dagegen ein deutlicher Anstieg zu beobachten, vor allem bei Männern (von 18,9 % auf 23,3 %), bei Frauen ist der Anteil nur leicht gestiegen (von 22,5 % auf 23,9 %). „Besorgniserregend ist, dass sich die Gruppe der Adipösen insbesondere im jungen Erwachsenenalter weiter vergrößert hat“, meint Bärbel-Maria Kurth, im RKI Leiterin der Abteilung für Epidemiologie und Gesundheitsberichterstattung.
Daten zur psychischen Gesundheit wurden mit einem Fragebogen und einem computergestützten ärztlichen Interview erhoben. 8,1 % der DEGS-Teilnehmenden berichteten von aktuellen Symptomen einer Depression (depressives Syndrom in den 14 Tagen vor dem Interview, erhoben mit dem standardisierten Fragebogen „PHQ-9“). 1,5 % der Teilnehmenden gaben an, dass ein Arzt oder Psychotherapeut bei ihnen in den letzten zwölf Monaten ein Burn-out-Syndrom festgestellt hat. Das Thema psychische Gesundheit wurde in einem Zusatzmodul bei 5.318 Teilnehmenden vertieft. An diesem Modul waren ein Team um Hans-Ulrich Wittchen von der TU Dresden, das RKI und die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN), die das Modul auch mitfinanziert hat, beteiligt. Die Auswertungen werden nach Einschätzung des Modul-Leiters Wittchen auch “im internationalen Vergleich einmalig differenzierte und umfassende Daten” liefern.
In DEGS wurde sowohl die Häufigkeit (Prävalenz) eines bekannten Diabetes mellitus als auch die Häufigkeit bislang nicht erkannter Diabetes-Fälle untersucht. Die Definition eines bekannten Diabetes beruht auf Selbstangaben der Befragten zu einem jemals ärztlich diagnostizierten Diabetes oder der Einnahme von entsprechenden Medikamenten in den letzten sieben Tagen, die zu diesem Zweck ins Studienzentrum mitgebracht und über ein computergestütztes Verfahren genau erfasst wurden. Die Prävalenz eines bekannten Diabetes beträgt insgesamt 7,2 % und hat damit seit dem BGS98 um 2 Prozentpunkte zugenommen. Zur Einschätzung eines bislang unerkannten Diabetes wurden der Blutzucker (Nüchtern- oder Gelegenheitsglukose im Serum) sowie der Anteil des an Zucker gebundenen Hämoglobins (glykiertes Hämoglobin, HbA1c, das bei länger erhöhten Blutzuckerspiegeln ansteigt) bestimmt. Erhöhte Messwerte wurden auf der Grundlage aktueller Empfehlungen definiert Die Prävalenz des bislang unerkannten Diabetes liegt bei 0,7 – 2,1 %, je nachdem ob Blutzucker und HbA1c getrennt oder in Kombination betrachtet werden. Übereinstimmend mit Ergebnissen aus vergleichbaren internationalen Studien liegen diese Einschätzungen niedriger als bisherige Einschätzungen durch den “oralen Glukosetoleranztest”.
Regelmäßige körperliche Aktivität kann in jedem Alter einen positiven Einfluss auf Gesundheit und Wohlbefinden haben. Die DEGS-Ergebnisse zeigen, dass 51,7 % der Männer und 49,5 % der Frauen regelmäßig mindestens einmal pro Woche sportlich aktiv sind. Der Anteil der sportlich Aktiven ist seit dem BGS98 deutlich gestiegen (um 14,1 Prozentpunkte bei Männern, um 16,0 Prozentpunkte bei Frauen). Allerdings erreichen nur 25,4 % der Männer und 15,5 % der Frauen die von der WHO empfohlene körperliche Mindestaktivitätszeit von 2,5 Stunden pro Woche.
Gesundheit im Alter wird mit der Zunahme der Lebenserwartung in Deutschland ein immer wichtigeres Thema für die Gesundheit der Bevölkerung (Public Health). Angaben über Art und Ausmaß von Funktionseinschränkungen bei der zuhause lebenden älteren Bevölkerung haben unabhängig von Erkrankungen prognostische Bedeutung für altersassoziierte Gesundheitsprobleme (zum Beispiel Stürze oder Demenz), für die Fähigkeit zur unabhängigen Lebensführung und die Inanspruchnahme von Leistungen des Gesundheitssystems. Damit leisten diese Daten auch einen Beitrag zur Umsetzung des Ende März 2012 im Bundesgesundheitsministerium vorgestellten nationalen Gesundheitsziels “Gesund älter werden”. Bei DEGS wurden bei über 1.800 Personen im Alter von 65 bis 79 international etablierte Tests zur Erfassung alltagsrelevanter Funktionsfähigkeiten eingesetzt, etwa zu Greifkraft, Mobilität, Gleichgewicht (Balancetest) und kognitiven Leistungen.
Insgesamt absolvierten bei DEGS 7.328 Personen in einem der 180 Studienorte das Untersuchungs- und Befragungsprogramm, weitere 914 absolvierten ausschließlich das Befragungsprogramm. Für Querschnitt- und Trendanalysen werden generell Teilnehmende im Alter von 18 bis 79 Jahren berücksichtigt. Knapp die Hälfte (3.959) war bereits beim Bundesgesundheitssurvey dabei, dies ermöglicht über die Jahre “Längsschnitt-Analysen”, die für die Ursachenanalyse von Erkrankungen wichtig sind. Eine ausführliche und alle Themen umfassende Basispublikation zu DEGS-Ergebnissen erfolgt 2013 im Bundesgesundheitsblatt.
Weitere Informationen, insbesondere Vortragsabstracts zu den Ergebnissen
Quelle: Robert Koch Institut