Arbeit und Einkommen in der Gesundheitswirtschaft gehören zu den Schattenseiten des Wirtschaftsgeschehens in Deutschland. „Vor dem Hintergrund der zu erwartenden Engpässe am Arbeitsmarkt drohen die Arbeitsbedingungen zu einer „Achillesferse“ nicht nur für die Zukunftsbranche Gesundheit, sondern auch für die auf Deutschland künftig zukommenden wachsenden Versorgungsaufgaben zu werden“. Zu diesem Schluss kommt das Institut Arbeit und Technik (IAT / Westfälische Hochschule) anhand einer Auswertung von Daten des „Lohnspiegels“ der Hans-Böckler-Stiftung (HBS).
Der Lohnspiegel ist eine fortlaufende Online-Erhebung freiwilliger, selbstberichteter Einkommens- und Arbeitsbedingungen, für die über alle Branchen und Berufsgruppen hinweg bisher über 70 000 Fragebögen ausgewertet wurden. Wissenschaftler des Forschungsschwerpunkts Gesundheitswirtschaft und Lebensqualität am IAT nahmen Gehälter und Arbeitsbedingungen in den Gesundheitsberufen unter die Lupe:
Im Vergleich mit anderen Berufsgruppen sind die Verhältnisse dort zwar „keineswegs verheerend schlecht“, jedoch gibt es einige Bereiche, in den es zu massiven Problemen kommt. Als besonders schlecht werden die Arbeitsbedingungen bei geringer qualifizierten Berufsgruppen und in der Altenhilfe wahrgenommen. „Bei knapper werdendem Arbeitskräftepotenzial in der Gesamtwirtschaft und stark wachsendem Bedarf gerade in der Altenhilfe stellt dies eine höchst problematische Situation dar“, warnen die IAT-Wissenschaftler. Auch die ambulante allgemein- und fachärztliche Versorgung sowie technische Gesundheitsberufe mit Internationalisierungsdruck waren in den vergangenen Jahren von Umbrüchen betroffen, die Arbeitssituation und Arbeitsplatzsicherheit beeinträchtigten.
Gesundheitsberufe verzeichnen eine hohe Stressanfälligkeit
Als ein großes Problem der Gesundheitswirtschaft stellten die Wissenschaftler die übermäßig hohe Stressanfälligkeit fest, die – abgesehen von den Ärzten – mit dem Alter noch zunimmt. Konzepte einer belastungsreduzierten, qualifikations- und alternsgerechten Arbeitsgestaltung seien notwendig, um – neben der Einkommensgestaltung – die Arbeit in den Gesundheitsberufen attraktiver zu machen. Nur so ließen sich auch neue Zielgruppen als Arbeitskräfte gewinnen, etwa Berufsrückkehrerinnen und -rückkehrer oder ausländische Fachkräfte für Medizin und Pflege sowie Menschen mit niedrigen Bildungsabschlüssen oder Migrationshintergrund.
Aktuell wird überall nach neuen Wegen gesucht, die Arbeitgeberattraktivität in der Gesundheitswirtschaft zu erhöhen. Unerlässliche Voraussetzung dafür ist nach den Analysen der IAT-Wissenschaftler, dass neue Ansätze zur Organisation und technischen Unterstützung von Arbeit gefunden werden, die sowohl die Arbeitsbedingungen verbessern, als auch mehr Qualität und Wirtschaftlichkeit bringen. Damit dieses gelingt, sind Arbeitgeber, Arbeitnehmerorganisationen wie auch Politik gefordert, ein entsprechendes Arbeitsgestaltungsprogramm auf den Weg zu bringen.
Publikation zum Thema:
Kluska, Denise / Evans, Michaela / Hilbert, Josef / Öz, Fikret , 2012: Scheitert die Zukunft der Gesundheit an der Arbeit? Empirische Befunde zur Bewertung des Arbeitsalltags in den Gesundheitsberufen und ihre Bedeutung für die Arbeitsgestaltung. In: Bovelet, Joachim / Holzgreve, Alfred (Hrsg.): Klinik – Struktur – Versorgung. Berlin: Medizinisch-Wissenschaftl. Verl.-Ges., S. 63-81
Weitere Informationen beim Institut für Arbeit und Technik