Vereinbarkeit von Beruf und Familie – Von Krankenhäusern lernen

Laut einer Umfrage der berufundfamilie gGmbH haben bereits aktuell 75 Prozent der Kliniken im Ärztlichen Dienst und 41 Prozent im Pflegedienst Schwierigkeiten, Stellen zu besetzen. In fünf Jahren zeichnet sich eine weitere Verschlechterung ab: Dann rechnen 94 Prozent im Ärztlichen Dienst und 89 Prozent im Pflegebereich mit Problemen bei der Gewinnung und Bindung von Mitarbeitern.

Die Studie macht auch deutlich: Die primär weibliche Branche hat die hohe Bedeutung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie erkannt. So ist die Vereinbarkeit für 98 Prozent der Krankenhäuser ein geeignetes bzw. ein sehr geeignetes Mittel, um Personal besser gewinnen und binden zu können: die Top-Antwort auf den Fachkräftemangel. Zudem sehen sie die Verantwortung, für eine bessere Vereinbarkeit zu sorgen, mehrheitlich bei sich, nicht etwa beim Staat. Offenkundig ist jedoch gleichzeitig: Krankenhäuser tun sich mit der Umsetzung einer familienbewussten Personalpolitik schwer. Als Hemmnisse geben sie vor allem die bereits angespannte Personalsituation (68 Prozent) und die Erfordernisse der Leistungserbringung (53 Prozent) an.

Das Wie entscheidet – ‘Die richtigen Maßnahmen richtig umsetzen’

Die berufundfamilie gGmbH stellt aber auch fest, dass Kliniken nicht etwa völlig inaktiv sind, sondern familienbewusste Maßnahmen durchaus implementieren. ‘Das Entscheidende ist das Wie’, merkt Stefan Becker, Geschäftsführer der berufundfamilie gGmbH an. ‘Wichtig sind vor allem zwei Punkte: Erstens: Es müssen die für den jeweiligen Betrieb ‘richtigen’ Maßnahmen gewählt werden. Nur auf aufwandsarme und schnell einführbare Maßnahmen zu setzen – wie z. B. Teilzeit oder Verankerung der Vereinbarkeit im Leitbild – reicht nicht aus. Zielführend sind nur bedarfsgerechte Maßnahmen, die langfristig wirken können. Dazu zählen Maßnahmen zur Sensibilisierung von Führungskräften, Unterstützung beim Wiedereinstieg, Angebote zur Kinderbetreuung und zu Beruf und Pflege. Diese fehlen in Krankenhäusern entweder gänzlich oder werden nur in Teilbereichen angeboten. Und damit sind wir bei dem zweiten wichtigen Punkt: Die Maßnahmen müssen ‘richtig’ umgesetzt werden. Sie sind unternehmensweit, in jeder Abteilung und auch jedem Beschäftigten zugänglich zu machen und müssen in einen nachhaltig angelegten Change-Prozess eingebunden werden.’

Nur ein konsequent umgesetzter Change-Prozess, bei dem das familienbewusste Angebot in die Unternehmensstrategie eingebettet wird, bewirkt letztendlich einen Bewusstseinswandel ‘pro Familienbewusstsein’ in den Köpfen aller Beteiligten. Dazu zählt, Projektstrukturen für die Vereinbarkeit zu verankern, regelmäßige Analysen durchzuführen, den fortlaufenden Dialog auf allen betrieblichen Ebenen sicherzustellen und Führungskräfte aktiv in den Prozess einzubinden. Nur unter Beachtung der Implementierung ‘richtiger Maßnahmen’ und der ‘richtigen Umsetzung’ lässt sich eine Nachhaltigkeit der familienbewussten Personalpolitik erreichen, die den gewünschten betriebswirtschaftlichen Nutzen bringt – nämlich u. a. verbesserte Bewerberqualität, verringerte Fehlzeiten und Fluktuation sowie erhöhte Motivation und Produktivität der Beschäftigten.

Unterstützung annehmen für mehr Systematik Stefan Becker betont: ‘Letztendlich geht es darum, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie als systematischen Prozess anzulegen, den die Arbeitgeber mit Ernsthaftigkeit verfolgen können. Dabei ist die Unterstützung von außen hilfreich.’ Diese Hilfe bietet beispielsweise das audit berufundfamilie, dessen Zertifikat aktuell knapp 1.050 Arbeitgeber tragen, darunter auch 130 Krankenhäuser. Letztere haben sich verstärkt in den vergangenen drei Jahren mit dem audit um eine strategische Auseinandersetzung mit der Vereinbarkeit von Beruf und Familie bemüht. Viele von ihnen stehen noch am Anfang des Vereinbarkeitsprozesses, aber alle gewinnen mit dem Instrument audit zunehmend an Handlungskompetenz und verzeichnen Erfolge.

>> Download: “Vereinbarkeit von Beruf und Familie in deutschen Krankenhäusern – Ergebnisse einer Befragung von Krankenhausleitungen”

>> Hintergrundinformationen zur Untersuchung

(berufundfamilie gGmbH)

HCC Redaktion

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