“AOK im Dialog” zur stationären Versorgung im Krankenhaus

AOK wirbt für patientenorientierte Versorgungsstrukturen: Die stationäre Versorgung muss sich künftig erheblich stärker an der Qualität der Behandlungen orientieren. Darüber bestand in der Diskussionsrunde zur “Zukunft des Krankenhauses” im Rahmen der Veranstaltungsreihe “AOK im Dialog” in Berlin Einigkeit. Tiefgreifende Reformen sind nach Ansicht des AOK-Bundesverbandes unausweichlich. “Dass wir auf den Titel ‘OP-Weltmeister’ nicht stolz sein können, daran besteht mittlerweile kein Zweifel mehr”, sagte der Geschäftsführende Vorstand des Verbandes, Uwe Deh. Anreize für unnötige Operationen dürfe es nicht geben.

Bundes- und Landespolitiker diskutierten gemeinsam mit Experten, wie es gelingen kann, von der derzeit vorherrschenden Mengenorientierung zu mehr Qualitätsorientierung in der stationären Versorgung zu kommen. Einfache und schnelle Lösungen seien zwar nicht in Sicht, betonte Uwe Deh. Gleichwohl erweise sich das häufig vorgetragene Argument, die Materie der Krankenhausreform sei so komplex, dass nichts geändert werden könne, als falsch. “Das ist lediglich der Brokatvorhang, der vor die Fakten gehängt wird.” Und aus denen gehe hervor, dass den grundlegenden Problemen der Kliniken – zu viele unnötige und in der Qualität häufig mangelhafte Operationen sowie zu wenig Landesmittel für die Modernisierung der Häuser – nur durch Strukturreformen beizukommen sei.

Raumplanung für Gesundheit

Eine von den Bedürfnissen der Patienten ausgehende “Raumplanung für Gesundheit” müsse an die Stelle der bisherigen, allzu starren Krankenhausplanung treten, betonte Deh. Eine solche Raumplanung basiere im Kern auf strukturierten Bedarfsindikatoren, festgelegt durch den Gemeinsamen Bundesausschuss aus Ärzten, Kassen und Kliniken, einer bedarfsorientierten Rahmenplanung, einer für den Notfallbereich regelgebundenen Standortplanung des jeweiligen Bundeslandes sowie einem Qualitätswettbewerb für planbare Leistungen wie etwa Hüft- und Kniegelenkoperationen. “Es mangelt nicht an Wissen und Instrumenten, um gute von schlechter Qualität im Krankenhaus unterscheiden zu können. Es braucht aber den Rahmen, um schlechte Qualität wegzukriegen.” Das große Problem sei die Struktur der Kliniklandschaft in Deutschland, ergänzte Deh. Sie resultiere vielfach aus einer Krankenhausplanung aus dem letzten Jahrhundert.

Dr. Hans Georg Faust, politischer Koordinator beim AOK-Bundesverband, schlug in die gleiche Kerbe. “Es wäre schön, wenn wir eine differenzierte Krankenhausplanung bekämen, die sich nach dem tatsächlichen Bedarf der Patienten richtet.” Der Kontrahierungszwang für die Kassen müsse gelockert und den Kassen mehr Spielraum zum Abschluss von Einzelverträgen auch im stationären Bereich eingeräumt werden. In den 47 Jahren, die er nun im Gesundheitswesen tätig sei – davon 25 Jahre als Krankenhausarzt und elf Jahre als Abgeordneter des Deutschen Bundestages – habe er jedoch auch die Erfahrung gemacht, dass sich Veränderungen im Klinikbereich häufig im Schneckentempo vollzögen. Dennoch komme die Politik um Strukturreformen bei den Kliniken nicht herum.

Deh: “Die Patienten werden‘s einfordern”

Dabei waren sich Faust und Deh einig in der Analyse. Einfache und wohl auch schnelle Lösungen sind nicht in Sicht. Der Geschäftsführende AOK-Vorstand allerdings warnte davor, noch mehr Zeit verstreichen zu lassen. “Man kann nicht völlig daneben liegen, wenn man das Thema angeht”, sagte Deh. Die Ärzteschaft wolle es; die nachwachsende Ärzteschaft wolle es; Pflegekräfte und Therapeuten wollten es ebenso. “Und die Patienten wollen es, und die werden’s einfordern”, zeigte sich Uwe Deh überzeugt.

Im Ziel kam nur wenig Widerspruch seitens der Vertreter von Bund und Ländern. Der Kompass in der Krankenhauspolitik müsse künftig noch stärker an Qualität und Patientensicherheit ausgerichtet sein. “Wir haben uns vorgenommen, uns mit der Mengenentwicklung und Qualität im Krankenhaus in der nächsten Legislaturperiode zu beschäftigen”, sagte Lothar Riebsamen, Krankenhausexperte der Unions-Bundestagsfraktion und Mitglied des Bundestags-Gesundheitsausschusses. Riebsamen sprach von zwei “Themen der Zukunft”, über die man mit den Akteuren im Gesundheitswesen im Gespräch sei. “Die Selbstverwaltungspartner haben den Auftrag bekommen eine Studie vorzulegen, wie wir künftig mit den Themen ‘Mengensteuerung’ und ‘Qualität’ umgehen wollen”, so Riebsamen.

Qualitätsdaten liegen vor

“Das Grundprinzip in der stationären Versorgung muss sein, dass sich Qualität lohnt”, warb auch Professor Karl Lauterbach, gesundheitspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, für ein radikales Umdenken in der Krankenhauspolitik. Seine Partei präferiere dabei neben verständlichen Patienteninformationen auch Zuschläge für Kliniken, die gute Qualität ablieferten, und Abschläge für Häuser, deren Versorgung Mängel aufwiesen. Ein Problem aus seiner Sicht jedoch bleibt, die richtigen Konsequenzen aus mangelnder Ergebnisqualität zu ziehen. “Wir haben in Deutschland zum Beispiel Krankenhäuser, da ist die Handchirurgie schlecht, aber gleichzeitig die Schulterchirurgie gut”, erläuterte Lauterbach und gab zu bedenken, dass es schwierig sei, eine ganze Klinik wegen Qualitätsmängeln zu schließen. Lauterbach plädierte stattdessen dafür, den Versicherten das Recht einzuräumen, auf Kosten der Krankenkasse eine Zweitmeinung einzuholen, wenn der Verdacht auf einen medizinisch nicht notwendigen Eingriff besteht.

Hamburgs Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks hob ebenfalls hervor, dass künftig stärker auf die Ergebnisqualität in den Kliniken geachtet werden müsse. Die AOK erhebt dazu seit zehn Jahren mit dem QSR-Verfahren (“Qualitätssicherung mit Routinedaten”) aussagekräftige Daten. Die Politik brauche aber mehr als die Angaben “einer einzigen Kassenart”, gab Prüfer-Storcks zu bedenken. “Ich glaube, wir müssen uns auch die Fallpauschalen ansehen”, schlug die Senatorin vor. “Denn wir haben DRGs mit hohen Sachkostenanteilen, die richtig lukrativ sind.” Andere dagegen sorgten eher dafür, dass Kliniken Verluste machten.

AOK-Vorstand Uwe Deh betonte in diesem Zusammenhang, die Gesundheitskasse sitze nicht auf ihren Qualitätsdaten “wie auf einem Goldschatz”. Die im QSR-Verfahren erhobenen Daten zeichneten “ein ziemlich gutes Bild”, wie es um die Versorgungsgüte der Kliniken bestellt sei. Gerne weise die AOK beim Thema Qualitätssicherung in der stationären Versorgung den Weg. “Aber wir müssen endlich einmal anfangen”, betonte der AOK-Vorstand.

Ambulant und stationär zusammen denken

Berlins Gesundheitssenator Mario Czaja betonte, in der Bundeshauptstadt seien so viele Krankenhausbetten abgebaut worden wie in keinem anderen Bundesland. Derzeit gebe es noch rund 20.000 Betten – 50 Prozent weniger als noch vor wenigen Jahren. Wichtig sei für ihn, zu einer sektorübergreifenden Bedarfsplanung und Qualitätssicherung zu kommen: “Die entscheidende Frage für mich ist, wie es uns gelingt, ambulante und stationäre Versorgung zusammenzubringen.” Überkapazitäten müssten konsequent abgebaut werden. Dies mahnte auch Professor Axel Ekkernkamp, Ärztlicher Direktor und Geschäftsführer des Berliner Unfallkrankenhauses, an. Seine Schlussfolgerung: “Es muss nicht jede Leistung im Maria-Theresia-Krankenhaus am Waldrand erbracht werden.”

An anderen Stellen sieht Czaja nur wenige Spielräume für die Länder, speziell für das Land Berlin. Der Wunsch Krankenhausplanung stärker an Qualitätsmerkmalen auszurichten, sei früher einfacher gewesen, weil man öffentliche Mittel hatte. Aber je weniger öffentliche Mittel man habe, desto uninteressanter sei man als Gesprächspartner, beschrieb der Gesundheitssenator sein Dilemma. “Also entscheiden das andere.”

(AOK / ams)

HCC Redaktion

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