Studie identifiziert Ursachen für Unzufriedenheit mit dem Bachelorstudium: Leistungsdruck und fehlende Entscheidungsfreiräume belasten Bachelorstudierende. Nur eine geringe Bedeutung für Stressempfinden und Studienzufriedenheit wird dagegen dem Studienaufwand zugeschrieben, der in den neu strukturierten Studiengängen nur unwesentlich gestiegen sei. Das ist das Ergebnis einer Studie, die am Psychologischen Institut der Universität Heidelberg durchgeführt und in der Fachzeitschrift „Psychologische Rundschau“ veröffentlicht wurde.
Die Forschergruppe konnte zeigen, dass Bachelorstudierende im Fach Psychologie im Vergleich mit Diplomstudierenden ein deutlich höheres Stressniveau aufweisen und zudem weniger zufrieden mit dem Studium sind. Gleichzeitig erleben sie höhere psychologische Anforderungen und geringere Entscheidungsfreiräume im Studium. „Dass die Belastungen gestiegen sind, ist nicht nur gefühlt, sondern real und begründet“, erklärt Prof. Dr. Monika Sieverding. Als Verbesserungsmöglichkeiten schlagen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vor, den von Dauerprüfungsstress verursachten Leistungsdruck zu reduzieren sowie mehr Freiräume und Wahlmöglichkeiten zu schaffen.
Die Arbeitsgruppe von Prof. Sieverding, der Laura Schmidt, Julia Obergfell und Fabian Scheiter angehörten, befragte vom Sommersemester 2009 bis Sommersemester 2010 insgesamt 405 Bachelor- und Diplomstudierende aus vier Psychologischen Instituten in Deutschland. Die Studentinnen und Studenten mit dem Abschluss Diplom stammten aus Instituten, die die Umstellung auf Bachelor- und Masterstudiengänge erst spät umgesetzt haben. Für die Untersuchung wandte das Team das Demand-Control-Modell, das belastende Strukturen in der Arbeitswelt identifiziert, auf die Studiensituation der Befragten an. Die Forschergruppe ging davon aus, dass die beiden Hauptdimensionen dieses Modells – „Psychologische Anforderungen“ (Demands) und „Entscheidungsfreiräume“ (Control) – bei Studierenden im Bachelorstudium ungünstiger ausgeprägt sind als im früheren Diplomstudium. Nach Angaben der Wissenschaftler hat sich diese Annahme bestätigt. Zugleich zeigten sich bei Bachelorstudierenden ein deutlich höheres Stressniveau und eine geringere Studienzufriedenheit als bei Diplomstudierenden.
Ein wesentlicher Grund für den im Bachelorstudium stärker empfundenen Leistungsdruck könne darin liegen, dass dort fast alle Leistungen benotet würden, erläutert Prof. Sieverding. Gleichzeitig verspürten die Studierenden den Druck, besonders gute Noten zu erzielen, um bei der späteren Bewerbung um einen Masterstudienplatz eine Chance zu haben. „Der Studienaufwand, also die Anzahl der Stunden, die in Lehrveranstaltungen oder mit Selbststudium verbracht wurden, konnte dagegen die Unterschiede nicht erklären und leistete auch keinen Beitrag zur Erklärung von höherem Stress und geringerer Studienzufriedenheit im Bachelorstudium. Damit ist er kein geeignetes Maß, um die subjektiv wahrgenommene Belastung von Studierenden zu erklären“, betont Prof. Sieverding.
Zur Verbesserung der Situation der Studierenden schlagen die Wissenschaftler verschiedene Schritte vor, um den Leistungsdruck zu reduzieren und die Entscheidungsfreiräume im Bachelorstudium zu erhöhen. Neben unbenoteten Lehrveranstaltungen und alternativen Prüfungsmodalitäten plädieren sie für eine Ausweitung der realen Studienzeit gegenüber der Regelstudienzeit auf sieben oder acht Semester. „Wenn sich Studierende für ihr Bachelorstudium mehr Zeit nehmen, sinken die Anforderungen und der Leistungsdruck pro Semester, während die Entscheidungsfreiräume steigen. Damit einhergehend müsste der Stress sinken und die Studienzufriedenheit steigen“, erklärt Prof. Sieverding. „Ein solches Vorgehen würde den Studierenden mehr Möglichkeiten bieten, ihre Qualifikationen und ihren Lebenshorizont mit Auslandsaufenthalten, intensiveren Praktika und dem Besuch von Lehrveranstaltungen in anderen Fächern zu erweitern.“
Originalveröffentlichung:
M. Sieverding, L. Schmidt, J. Obergfell, F. Scheiter: Stress und Studienzufriedenheit bei Bachelor- und Diplom-Psychologiestudierenden im Vergleich: Eine Erklärung unter Anwendung des Demand-Control-Modells. Psychologische Rundschau (2/2013), doi: 10.1026/0033-3042/a000152