Neue Erkenntnisse im Kampf gegen chronisch-entzündliche Darmkrankheiten

In einer der größten jemals durchgeführten wissenschaftlichen Studien konnte ein internationales Team ein neues Licht auf die genetischen Ursachen von chronisch-entzündlichen Darmkrankheiten (CED) werfen. Über 2,5 Millionen Menschen weltweit sind von diesen Krankheiten betroffen. Um diesen Menschen zu helfen, suchen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nach den krankheitsauslösenden Genen. Ihren Durchbruch veröffentlichten sie in der aktuellen Ausgabe (31.10.2012) der Fachzeitschrift Nature.

Mitautor Professor Andre Franke von der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) ist selbst überrascht über den großen Erfolg der Studie: “Wir konnten zum einen die Anzahl der nun bekannten Krankheitsgene nahezu verdoppeln, zum anderen müssen wir in Zukunft unseren Fokus noch mehr auf die Bakterien und Viren im Darm legen. Hierfür planen wir, Stuhlproben von Tausenden Patientinnen und Patienten sowie von gesunden Personen zu untersuchen und mit den genetischen Daten zu kombinieren. Die Studie zeigt auch, wie wichtig es mittlerweile geworden ist, sich mit anderen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern auf der Welt zu vernetzen”, so Professor Andre Franke.

Die neue Studie konnte genetische Variationen in 163 Regionen des menschlichen Genoms, von denen 71 neu entdeckt wurden, mit einem erhöhten Risiko für chronisch-entzündliche Darmerkrankungen in Verbindung bringen. Diese Regionen zeigten eine überraschend große Übereinstimmung mit den Regionen des Genoms, die mit anderen Autoimmunkrankheiten in Verbindung gebracht werden. Dies lässt vermuten, dass CED durch ein überaktives Immunsystem, das ursprünglich zur Bekämpfung von ernsten Infektionen entstanden ist, ausgelöst wird.

Bei dieser Art von Krankheiten löst das Immunsystem normalerweise eine anhaltende Entzündungsreaktion im Darm aus, die die Darmwand beschädigt und zu Durchfall und Bauchschmerzen führt. Die Betroffenen benötigen dann eine lebenslange medikamentöse Behandlung und oft chirurgische Eingriffe, um Gewebeschädigungen, die durch die Krankheit verursacht werden, zu beheben.

„Bisher haben wir Morbus Crohn und Colitis Ulcerosa getrennt voneinander untersucht“, sagt Stefan Schreiber, Gastroenterologe und Sprecher des Exzellenzclusters „Entzündungen an Grenzflächen“ sowie Dekan der Medizinischen Fakultät der CAU. “Wir haben die Studie auf Basis der Annahme durchgeführt, dass es vermutlich große genetische Übereinstimmung zwischen den beiden Krankheiten gibt.“

In einem ersten Schritt haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eine „Metaanalyse“ von 15 vorherigen Studien an entweder Morbus Crohn (CD) oder Colitis Ulcerosa (UC), den zwei häufigsten Formen von CED, durchgeführt. Damit erzeugten sie einen Datensatz von ungefähr 34.000 Personen, die an diesen Studien teilgenommen haben. Die Ergebnisse sind Teil einer zweiten Metaanalyse, die die Daten von neuen genomweiten Untersuchungen von mehr als 41.000 DNA-Proben von Morbus Crohn- und Colitis Ulcerosa-Betroffenen und gesunden Vergleichsgruppen umfasst, die in 11 Forschungszentren auf der ganzen Welt durch das Internationale IBD Genetik Konsortium gesammelt wurden.

„Wir sehen einen genetischen Balanceakt zwischen Verteidigung gegen bakterielle Infektionen und dem Angriff auf eigene Körperzellen“, ergänzt Schreiber. „Viele der Regionen, die wir gefunden haben, sind daran beteiligt, Signale oder Immunantworten zur Bekämpfung von schädlichen Bakterien auszusenden. Wir haben herausgefunden, dass, wenn diese Mechanismen überreagieren, dies Entzündungen auslösen kann, die zu CED führen.“

Fast 100 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus 15 Ländern haben zu dieser Studie beigetragen. Dies zeigt „die unglaubliche Kraft, die die Zusammenarbeit in einen großen Team haben kann“, sagt Franke. „Diese Studie wäre nicht ohne die tausenden von DNA-Proben von Patientinnen und Patienten mit UC und CD, die durch das Internationale IBD Genetik Konsortium zusammengetragen wurden, möglich gewesen. Insgesamt haben unsere Ergebnisse das Ziel, die biologischen Mechanismen hinter diesen Krankheiten aufzudecken.“

Original Artikel:
“Host-microbe interactions have shaped the genetic architecture of inflammatory bowel disease”; DOI: 10.1038/nature11582

Quelle: Christian-Albrechts-Universität zu Kiel

HCC Redaktion

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