Psychische Erkrankungen senken Lebenserwartung und Erwerbsfähigkeit

Während psychische Erkrankungen in den Überlegungen der Gesundheits- und Forschungspolitik weiterhin unterrepräsentiert sind, zeichnet der kürzlich veröffentlichte Weltgesundheitsbericht, die „Global Burden of Disease Study 2010“ (GBD 2010), ein anderes Bild: Psychische Störungen führen v. a. im mittleren Lebensabschnitt zu einer massiven Beeinträchtigung und Behinderung im Beruf und Privatleben. Dies hat einschneidende, negative Auswirkungen auf die Lebensqualität und eine stark verminderte Erwerbs- und Arbeitsfähigkeit zur Folge.

Die „Global Burden of Disease Study 2010“ (GBD 2010) ist der umfassendste Versuch seit der GBD 1990, Lebenserwartungen, individuelle Krankheitslasten und Risikofaktoren weltweit zu schätzen. Die GBD 2010 ist in der Zusammenarbeit hunderter Wissenschaftler entstanden und wurde vom Institute for Health Metrics and Evaluation der Universität Washington und zahlreichen Zentren der Weltgesundheitsorganisation (WHO) koordiniert. Veröffentlicht wurde sie am 13. Dezember 2012 von der international führenden medizinischen Fachzeitschrift „The Lancet“.

Psychische Erkrankungen haben vor allem im mittleren Lebensalter negative soziale und private Folgen

Die gute Nachricht: Weltweit gesehen zeigt sich der Studie zufolge eine steigende Lebenserwartung. Schlechte Nachrichten: (a) Die von chronischen Krankheiten betroffenen Menschen leiden länger unter krankheitsbedingten Beeinträchtigungen und Behinderungen, was zu einer größeren Krankheitslast in der Bevölkerung führt. (b) Psychische Erkrankungen haben vor allem im mittleren Lebensalter (20-60 Jahre) häufige negative soziale und private Folgen. Speziell in Westeuropa werden bis zu 40% der individuellen Krankheitslasten (Altersgruppe 20-24 Jahre; über alle Altersgruppen hinweg liegt der Wert bei 21%), sogenannte YLDs („years lived with disability“), von psychischen Erkrankungen verursacht. Nur Skelettmuskelerkrankungen bedingen ein vergleichbares Maß an Beeinträchtigung. Konkret heißt das, dass sich unter den 25 größten Ursachen chronischer Beeinträchtigung sieben psychische oder Verhaltensstörungen befinden, Depression alleine bedingt dabei 9,1% aller YLDs. Die andere führende Ursache chronischer Beeinträchtigung, chronische Rücken- und Nackenschmerzen, geht zudem mit einer erhöhten Prävalenz psychischer Störungen einher.

Prävention und die Therapie psychischer Erkrankungen von zentraler Bedeutung

In unserer durch zunehmende Überalterung geforderten Gesellschaft ist der Erhalt von Gesundheit und von Leistungs- und Erwerbsfähigkeit bei Menschen, die an der Wertschöpfung teilnehmen, ganz besonders dringlich. Das betrifft insbesondere Menschen des mittleren Lebensalters. Die GBD-Studie zeigt, dass für dieses akute gesamtgesellschaftliche Ziel die Prävention und die Therapie psychischer Erkrankungen von zentraler Bedeutung sind – denn schon heute stellt diese Krankheitsgruppe die führende Ursache für vorzeitige Erwerbsunfähigkeit in Deutschland dar.

Keine dauerhaften Forschungs- und Entwicklungszentren für psychische Erkrankungen

Nach wie vor ignoriert die Politik in Deutschland die wachsende Evidenz. Bei der Vorstellung der Deutsche Zentren der Gesundheitsforschung zur Bekämpfung der sechs wichtigsten Volkskrankheiten durch das Bundesforschungsministerium (BMBF) im Juni 2011 gingen die beiden Hauptursachen für die krankheitsbedingte Reduktion der Lebensqualität in der Bevölkerung leer aus. „Weder für psychische Störungen noch für Muskelskeletterkrankungen wurden solche dauerhaften Forschungs- und Entwicklungszentren eingerichtet“, so Prof. Dr. med. Wolfgang Maier, Bonn, der zukünftige Präsident der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN). „Die Erarbeitung neuer Präventions- und Therapiestrategien erfolgt in diesen besonders wichtigen Krankheitsbereichen auch weiterhin lediglich auf der schmalen Basis befristeter Projektförderung.“

Deshalb fordert die DGPPN die Einrichtung eines Deutschen Zentrums für psychische Erkrankungen ebenso wie die Einbeziehung von Experten für psychische Erkrankungen in die aktuellen Pläne der Bundesregierung für eine Präventionsstrategie sowie die Demographiestrategie. Aus Sicht der DGPPN können gezielte präventive Maßnahmen und nachhaltige Behandlungskonzepte nur gemeinsam erarbeitet und gefördert werden.

(DGPPN)

HCC Redaktion

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