Eine neue interdisziplinäre Studie über die Möglichkeiten von bildgebenden Verfahren in der Pränataldiagnostik stellte die Frage wie sich die sogenannte Schwangerschaft in 3D auf die Eltern-Kind-Beziehung auswirkt. Die Ergebnisse zeigen: Vor allem für werdende Väter bietet diese Technologie einen nicht zu unterschätzenden Mehrwert.
Revolution für Vorsorge und Diagnostik
Klassische Ultraschallbilder gehören schon seit Jahrzehnten zum Alltag werdender Eltern. Die fortschreitende Integration technischer Medieninnovationen in unsere Lebenswelt hat auch die bildgebenden Verfahren der Pränataldiagnostik verändert: Seit einigen Jahren können werdende Eltern ihr ungeborenes Babys in plastischen, dreidimensionalen, fotorealistisch anmutenden Bildern sehen. Die Technik der sogenannten 3D-Sonografie führte aus medizinischer Perspektive vor allem im Rahmen der Schwangerschaftsvorsorge und Fehlbildungsdiagnostik zu revolutionären Fortschritten. Im 3D-Modus und der damit verbundenen Möglichkeit zur Nachbearbeitung können Fehlbildungen frühzeitiger und präziser erkannt werden. Geplante Eingriffe und Operationen lassen sich auf diese Weise mit den Eltern im Ärzteteam besprechen und manchmal bereits im Mutterleib behandeln.
Eltern-Kind-Beziehung bislang ausgeblendet
Doch obwohl die 3D-Sonografie bei Ärzten und werdenden Eltern an Beliebtheit gewinnt und immer häufiger eingesetzt wird, hat die medizinische Forschung bisher ausgeblendet, was die Möglichkeit, das ungeborene Baby schon vor der Geburt fotorealistisch zu sehen, vor allem Dingen für die Eltern-Kind-Beziehung bedeutet: Wie beeinflusst sie die Identifikation der Eltern zum Kind, mit ihrer neuen Rolle, et cetera? Erstaunlicherweise hat sich dies bisher offenbar kaum jemand gefragt.
Genau an dieser Stelle setzt das interdisziplinäre Forschungsprojekt der Kommunikationswissenschaftlerin Stephanie Geise von der Universität Erfurt an. In Kooperation mit Dr. med. Andreas Brückmann hat sie sich eben diesen Fragen gewidmet, rund 40 qualitative Leitfadeninterviews mit werdenden Eltern geführt und sie zur persönlichen Bedeutung der Ultraschallbilder sowie den verbundenen Prozessen der Bildaneignung und des Bildhandelns befragt. Die ersten Befunde der gesellschaftlich hoch relevanten Studien wurden in Bremen im Rahmen der Tagung „Visualisierung – Mediatisierung“ der Fachgruppe Visuelle Kommunikation der Deutschen Gesellschaft für Publizistik und Kommunikationswissenschaft erstmals präsentiert und diskutiert.
Faszinierende Ergebnisse
„Die Ergebnisse sind faszinierend“, sagt Dr. Stephanie Geise. „In den Gesprächen mit Eltern wird ganz deutlich, dass die nahezu ‚lebensechte‘ Qualität der 3D-Bilder bereits in einer frühen Phase der Schwangerschaft eine engere Bindung zwischen Eltern und dem werdenden Kind begünstigt.“ Die 3D-Motive könnten dazu beitragen, die werdenden Eltern auf ihre Rolle als Eltern vorzubereiten, zusätzlich die Bindung an das Kind zu festigen sowie aufkommende Zweifel und grundsätzlich Unsicherheiten und Ängste in der Schwangerschaft zu reduzieren. „Besonders für die werdenden Väter, die die Schwangerschaft sonst eher durch die Frau vermittelt erleben, sind die 3D-Bilder ein unglaublicher, unmittelbar erlebbarer Mehrwert“, erklärt Geise. Die gemeinsame Studie mache deutlich, welch enorme soziale und sozialpsychologische Bedeutung den Bildern neben der diagnostischen medizinischen Funktion zukommt.
(cs mit Informationsmaterial der Universität Erfurt)