Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) liefert erstmals belastbares Zahlenmaterial aus Deutschland.
In Deutschland ist ein hoher Sicherheitsstandard in der Anästhesiologie erreicht, auch wenn eine Narkose genauso wie eine Operation mit Risiken für den Patienten behaftet ist. Eine von der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin e. V. (DGAI) und dem Berufsverband Deutscher Anästhesisten e. V. (BDA) initiierte, groß angelegte retrospektive Analyse von prospektiv erhobenen Kohorten-Daten*, die im British Journal of Anaesthesia veröffentlich wurde, liefert erstmals einzigartige Hinweise auf das Narkoserisiko hierzulande: Die Analyse von etwa 1,4 Millionen Narkosen ergab ein anästhesiebedingtes Risiko für schwere Zwischenfälle von 7,3 pro einer Million Narkosen.
Zu Inhalt & Methodik
Untersucht wurden Dokumentationen von Anästhesien bei geplanten Operationen bei ansonsten weitgehend gesunden Patienten. Gerade vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung wollen DGAI und BDA die Patientensicherheit konsequent weiter verbessern, um den wachsenden Herausforderungen adäquat entgegenzutreten.
In der retrospektiven Analyse wurden 1,36 Millionen Datensätze von in Deutschland durchgeführten Narkosen ausgewertet. „Somit liegen uns erstmals derart umfangreiche Daten zur Patientensicherheit in Deutschland vor“, betont der DGAI-Präsident Professor Dr. med. Christian Werner. „Erhoben wurden die Daten in den Jahren 1999 bis 2010 auf Basis des so genannten Kerndatensatzes Anästhesie, einem freiwilligen und anonymen Qualitätssicherungssystem“, erläutert der Erstautor der Studie Dr. Dr. med. Jan-H. Schiff, MPH, vom Klinikum Stuttgart.
Erstmals Zahlen aus Deutschland
Anästhesieberichte von geplanten Operationen bei Patienten, bei denen keine besonderen Risikofaktoren vorlagen, wurden im Hinblick auf die Häufigkeit von schweren Zwischenfällen und Komplikationen analysiert. Bei den untersuchten 1,36 Millionen Fällen traten bei 36 Patienten Komplikationen auf, deren Resultat von den behandelnden Anästhesisten als „Tod oder bleibender Dauerschaden“ angegeben wurde. „Ein Expertenteam hat überprüft, ob es sich eher um ein Anästhesieproblem oder eventuell um eine operative oder andere Komplikation handelte“, so Schiff. „In 10 Fällen konnten die schweren Zwischenfälle und Komplikationen eindeutig der Anästhesie zugeordnet werden.“ Die Auswertung hat somit ergeben, dass es bei mindestens einem von 140.000 Patienten (7,3/1.000.000; 95% CI, 3.9-12.3) zu einem schweren Zwischenfall gekommen ist, der auf die Anästhesie zurückgeführt werden kann.
In neun Fällen waren Intubationsprobleme aufgrund eines unerwartet schwierigen Luftweges die Komplikationsursache. In einem Fall handelte es sich um einen Bronchospasmus, das heißt um eine Verkrampfung der Atemwegsmuskulatur. „Offen bleibt, wie sich die 10 Fälle, bei denen ein Tod oder ein bleibender Dauerschaden festgestellt wurde, aufteilen. Es kann leider keine Aussage getroffen werden, wie viele von diesen Patienten verstarben und was bei den anderen für ein Dauerschaden vorliegt“, erklärt Schiff. Denn die Datenerhebung sei nicht darauf angelegt gewesen, die Frage nach den Resultaten schwerer Komplikationen zu beantworten.