Wird in Deutschland zu viel operiert? Mengenentwicklung im Krankenhaus

Wird in Deutschland zu viel operiert?– Internationale Konferenz zur Mengenentwicklung im Krankenhaus diskutierte Ursachen und Lösungen

Gesundheitsminister Daniel Bahr hat gestern in Berlin die Konferenz „Mengenentwicklung im Krankenhausbereich – Managing Hospital Volumes“ eröffnet. Die Konferenz wurde vom Bundesministerium für Gesundheit (BMG) und der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in Zusammenarbeit mit der Gesellschaft für Versicherungswissenschaft und -gestaltung e.V. (GVG) ausgerichtet. Hochrangige Experten der Krankenkassen, des Krankenhausmanagements und der medizinischen Wissenschaft aus verschiedenen OECD-Ländern diskutierten über die Ursachen der Mengenausweitung bei Operationen im Krankenhausbereich. Sie erörterten dabei Analyse- und Steuerungsinstrumente zur Begrenzung der Mengenausweitung.

In seiner Eröffnungsrede sagte Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr: „In Deutschland steigt die Zahl der Operationen im Krankenhausbereich kontinuierlich an. Diese Mengenausweitung lässt sich nicht allein durch die älter werdende Bevölkerung und damit einhergehenden Risiken zu erkranken erklären. Und auch nicht nur der medizinisch-technische Fortschritt ist der alleinige Grund. Wir müssen uns die Frage stellen, ob nicht auch Fehlanreize bestehen. Die Veranstaltung ist eine gute Möglichkeit, sich mit unseren internationalen Partnern auszutauschen und voneinander zu lernen. Denn eins ist klar: Die stetig steigende Mengenausweitung führt zu höheren Kosten, zu einer Arbeitsverdichtung in den Kliniken, die Patienten, das pflegerische und ärztliche Personal belasten. Wir wollen deswegen heute diskutieren, welche Anreize gesetzt werden können, damit die Kliniken profitieren, die eine gute Behandlung anbieten und nicht die, die einfach nur mehr operieren.“

Ein Drittel der Gesundheitsausgaben entfällt auf den Krankenhaussektor

Ein wesentlicher Anteil der Gesundheitsausgaben entfällt in den OECD-Ländern auf den Krankenhaussektor; in Deutschland ist dies rund ein Drittel der Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung (OECD-Durchschnitt: 29%). Die Ausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung für die Krankenhausbehandlung in Deutschland werden 2013 voraussichtlich auf rund 65 Mrd. Euro ansteigen. Auch die Zahl der behandelten Patienten steigt kontinuierlich; sie nahm im Zeitraum von 2006-2011 um jährlich durchschnittlich 1,7 Prozent zu. Insgesamt nimmt Deutschland im internationalen Vergleich einen Spitzenplatz hinsichtlich der Inanspruchnahme von Krankenhausleistungen ein.

Die Bundesregierung hat bereits auf die Mengenentwicklung reagiert und die Deutsche Krankenhausgesellschaft, den GKV-Spitzenverband und den PKV-Verband beauftragt, einen gemeinsamen Forschungsauftrag zur Mengendynamik zu vergeben. Ziel ist es, Lösungsvorschläge für eine Leistungsentwicklung im medizinisch notwendigen Umfang zu entwickeln. Die Ergebnisse sind bis zum 31. Juni 2013 zu veröffentlichen.

Die OECD (Organisation for Economic Co-operation and Development) ist eine internationale Organisation mit Sitz in Paris, der weltweit 34 Mitgliedsländer angehören. Die OECD bekennt sich zur Demokratie und Marktwirtschaft. Ihre Ziele sind u.a. die Förderung nachhaltigen Wirtschaftswachstums, höhere Beschäftigung, Steigerung des Lebensstandards, Sicherung finanzieller Stabilität. Deutschland gehört zu den Gründungsstaaten der OECD.

Forderung der AOK: Die Vergütung der Krankenhäuser sollte sich künftig stärker an der Qualität der Behandlungen orientieren

 “Patienten können sich heute nicht immer darauf verlassen, dass sie ausschließlich aus medizinischen Gründen operiert werden. Dieses Vertrauen müssen wir wieder zurückgewinnen”, sagte Jürgen Graalmann, Vorstandsvorsitzender des AOK-Bundesverbandes.

Die Zahl der Operationen in Deutschland steigt stetig an und liegt auch im internationalen Vergleich an der Spitze.Das zeigen Analysen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) genauso wie der Krankenhaus-Report 2013. Die Studienergebnisse zeigen aus Sicht der AOK deutlich, dass umfassende Reformen der stationären Versorgung nötig sind. Nun sucht das Bundesgesundheitsministerium auf einer gemeinsamen Konferenz mit der OECD und der Gesellschaft für Versicherungswissenschaft und -gestaltung (GVG) nach Handlungsoptionen wegen der “Mengenentwicklung im Krankenhausbereich”.

“Innerhalb von fünf Jahren hat sich die Zahl der Eingriffe an der Wirbelsäule verdoppelt”, sagte Uwe Deh, Geschäftsführender Vorstand des AOK-Bundesverbandes, am Donnerstag anlässlich der Konferenz. “Die meisten Ärzte leisten hervorragende Arbeit. Doch die jährlich neuen Fallzahlrekorde sind ein gefährliches Symptom”, so Deh. Die Folge: Patienten könnten sich nicht mehr sicher sein, allein aus medizinischen Gründen operiert zu werden. “Das muss sich dringend ändern, denn die Gesundheit der Patienten steht an erster Stelle”, sagte Jürgen Graalmann, Vorstandsvorsitzender des AOK-Bundesverbandes, gegenüber der “Berliner Zeitung”.

Die AOK appelliert daher an die Politik, das Vergütungssystem nach Pauschalen grundsätzlich beizubehalten, aber weiterzuentwickeln. So dürfe es sich künftig nicht mehr finanziell lohnen, unnötige Operationen vorzunehmen, fordert AOK-Chef Graalmann. Ein Weg dazu ist für die AOK, die Vergütung einer Klinik stärker mit der Qualität der Behandlungen zu verknüpfen, wie es auch die OECD in ihrer aktuellen Studie empfiehlt. “Derzeit müssen wir alle Kliniken gleich bezahlen, egal ob sie gut oder schlecht arbeiten”, kritisiert Deh.

Die Kassen sollten die Möglichkeit erhalten, bei planbaren Eingriffen nur noch jene Krankenhäuser zu vergüten, die hohe Qualität aufweisen. Dies hätte nur geringe Auswirkungen auf die flächendeckende Versorgung. Würden bei planbaren Hüftoperationen alle Krankenhäuser mit schlechter Qualität nicht mehr berücksichtigt, verlängerte sich die durchschnittliche Fahrzeit zur nächsten Klinik um zwei Minuten. “Das sind 120 Sekunden im Gegenzug für die Gewissheit, hervorragend versorgt zu werden”, so Graalmann.

Weitere Informationen:

www.managing-hospital-volumes.de

www.oecd.org

HCC Redaktion

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