An der Hochschule Coburg ist ein eigenes Referat für die interne Gesundheitsförderung zuständig – Studierende werden befähigt, mit Stress umzugehen – Ein umfassendes Angebot gibt es auch für Mitarbeiter .
Volle Stundenpläne, ständig Prüfungen und Nebenjobs, um ein paar Euro dazu zu verdienen:
Vor allem durch das verkürzte Bachelorstudium nimmt der Druck an deutschen Hochschulen zu, Langzeitstudenten sind heute die Ausnahme. Viele Studenten werden zwischen Hörsaal und Alltag aufgerieben. Das muss nicht sein, sagt das Team der Hochschule Coburg. Ein eigenes Referat „Gesunde Hochschule“ kümmert sich hier ums Wohlergehen der Studierenden, aber auch der Hochschulmitarbeiter. Professoren besuchen gemeinsam mit Sekretärinnen Kletterkurse, Führungskräfte werden in Seminaren sensibilisiert und Studenten treffen sich bei der Aquarianacht zum Zumba im Schwimmbad.
Betriebliches Gesundheitsmanagement also, wie man es sonst eigentlich nur aus der freien Wirtschaft kennt. Und so war das Coburger Hochschul-Projekt in Bayern Vorreiter, lediglich an der Universität Bamberg gibt es seit kurzem ein ähnliches Programm. Auch deutschlandweit gibt es vergleichbare Einrichtungen bis dato nur an wenigen, zumeist größeren Universitäten wie Bielefeld oder Paderborn. Die Hochschule Coburg indes zählt gerade einmal 4800 Studierende und 400 Beschäftigte.
Massiver Stress im Studium
Grundlage für die „Gesunde Hochschule Coburg“ bildete laut Referatsleiterin Stefanie Thees eine Umfrage aus dem Jahr 2007 im Zuge des zwei Jahre zuvor ins Leben gerufenen Bachelorstudiengangs „Integrative Gesundheitsförderung“. Die Absolventen werden hier befähigt, gesundheitsfördernde Maßnahmen zielgruppengerecht zu evaluieren, zu konzipieren und umzusetzen. Später arbeiten sie bei Kur- und Rehakliniken, Reiseveranstaltern, bei Krankenkassen, Unternehmensberatungen oder in großen Unternehmen. In der Umfrage wurden Studierende zu ihrem Gesundheitsverhalten befragt. Heraus kam, was unterm Strich nicht weiter erstaunte: Junge Menschen leiden während des Studiums unter massivem Stress.
Doch es blieb nicht nur bei einer Umfrage. „Wir sagten: Was wir im Studiengang lehren, sollten wir selbst auch leben“, erzählt Thees. Und so rief die Hochschule Coburg 2010 in Zusammenarbeit mit der Techniker Krankenkasse zunächst ein auf knapp zwei Jahre begrenztes Projekt „Gesunde Hochschule“ ins Leben, das ein betriebliches Gesundheitsmanagement implementierte. Die Idee dahinter: Wer den Umgang mit Stress als Studierender selbst lernt, kann seine Erfahrungen später – über die reine Theorie hinaus – als potentielle Führungskraft in seinem Betrieb weitergeben. „Zudem wollten wir natürlich auch die Grundlage für ein positives Hochschulklima legen“, sagt Thees.
Druck und Prüfungen bewältigen
Das scheint gelungen, denn: Die Hochschulleitung war vom Projekt so angetan, dass im Mai 2012 ein dauerhaftes „Referat Gesunde Hochschule“ begründet wurde. „Natürlich ist jeder erst einmal selbst für seine Gesundheit verantwortlich“, betont Stefanie Thees. Doch könne die Hochschule für entsprechende gesundheitsfördernde Rahmenbedingungen sorgen. Und die reichen über ein umfassendes Hochschulsportprogramm weit hinaus. Belastend wirkt sich auf die jungen Menschen vor allem der enorme Arbeitsdruck aus, deshalb umfasst das zusätzliche Angebot etwa Kurse zu Lernstrategien, der Bewältigung von Prüfungsangst oder Stressmanagement. In einer standardisierten Befragung will die Hochschule nun herausfinden, inwieweit die Arbeit des Referats „Gesunde Hochschule“ erste Früchte trägt. Auch soll die Befragung Hinweise liefern, wie gut es den Studierenden mit ihren Studienbedingungen geht. Wiederholt werden soll die Umfrage künftig alle zwei Jahre.
Massagen für Mitarbeiter
Die zweite Zielgruppe bilden die Mitarbeiter der Hochschule Coburg. Zum Angebot für die Belegschaft zählen Grippeschutzimpfungen, mobile Massagen, eine Rückenschule oder eine gemeinsame bewegte Mittagspause. Vor allem aber konzentriert sich das Referat „Gesunde Hochschule“ auf die innere Kommunikation und Personalentwicklung: „Hierarchien an Hochschulen sind flach. Auf der einen Seite ist es gut, wenn sich Führungskräfte selbst organisieren. Auf der anderen Seite sind Zuständigkeiten oft unklar, Informationsweitergabe und Kommunikation funktionieren nicht, wie sie sollten, und mit Verwaltung und Wissenschaft prallen zwei Welten aufeinander“, so Stefanie Thees‘ Erfahrung. Seminare für Führungskräfte drehen sich deshalb zum Beispiel um Mitarbeitergespräche oder Selbstführung. Mitarbeiter aller Ebenen treffen sich beim Nordic Walking, Yoga oder im Kletterkurs. Ins Leben gerufen wurde eine externe Mitarbeiter- und Führungskräfteberatung, an die sich Beschäftigte bei beruflichen ebenso wie privaten Problemen wenden können. Außerdem gibt es ein Mitarbeitercafé, um die informelle Kommunikation weiter zu fördern.
Und die Ideen gehen Referatsleiterin Stefanie Thees längst nicht aus: Verbessern will sie im nächsten Schritt die Willkommenskultur an der Hochschule mit einem Mentoring-Programm für neue Beschäftigte. Sie plant ein Coaching für Wissenschaftler mit Führungsverantwortung. Und: Ein „Raum der Stille“ soll als Rückzugsort errichtet werden.
Inwieweit das Aktivitäten-Paket erste Früchte trägt, ist laut Thees schwer messbar. Sie persönlich aber hat den Eindruck, dass gerade die Führungskräfte sensibler geworden sind: „Das geht damit los, dass Chefs zum Geburtstag eine Email schicken und gratulieren.“ Eine kleine Geste, die Wertschätzung signalisiert und zum guten Arbeitsklima maßgeblich beitragen kann.
(Hochschule Coburg via idw)