Der Mensch ist ein soziales Wesen. Sein Agieren, sowohl im beruflichen als auch privaten Umfeld, wirkt sich entscheidend auf seine Gesundheit aus. Wie entscheidend, dass wollen acht Wissenschaftler aus Göttingen, Berlin und Leipzig herausfinden. Die Forschergruppe untersucht die Effekte des Gruppenlebens auf die Gesundheit von freilebenden Lemuren, Affen und Menschenaffen. Initiator und Sprecher der Forschergruppe ist der Verhaltensforscher Prof. Dr. Peter Kappeler, der eine Brückenprofessur an der Universität Göttingen und dem Deutschen Primatenzentrum (DPZ) innehat. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) unterstützt das Projekt zunächst drei Jahre lang mit insgesamt rund 1,5 Millionen Euro. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse lassen sich durchaus auf den Menschen übertragen.
Gut Integrierte leben länger
Die Wissenschaftler interessiert vor allem, wie sozialer Stress, Freundschaften und andere Aspekte des Sozialsystems die Anfälligkeit gegenüber Krankheitserregern und deren Übertragung beeinflussen. Zum Beispiel leben sozial gut integrierte Individuen bei Pavianen und Menschen gleichermaßen länger, wohingegen sozial gestresste oder isolierte Individuen kürzer leben und weniger Nachwuchs produzieren. Die physiologischen Mechanismen, die diese positiven oder negativen Effekte vermitteln, sind allerdings noch kaum erforscht.
Klinische Studien an Menschen haben gezeigt, dass Gesundheit eine wichtige Rolle bei der Vermittlung der Interaktionen zwischen Sozialsystem und Lebenserwartung spielt. Allerdings ist noch nicht ausreichend bekannt, welche relative Bedeutung soziale Faktoren in diesem Kontext haben, wie genau soziale Rollen oder Positionen in sozialen Netzwerken Krankheitsanfälligkeit beeinflussen und wie sozialer Stress diese Zusammenhänge moduliert. Außerdem gibt es bislang erst wenige Daten darüber, wie welche sozialen Faktoren die Übertragung und Ausbreitung von Krankheitserregern begünstigen.
Sozialverhalten: Variablen fürs Wohlbefinden und die Gesundheit
„Diese Untersuchungen bieten eine wichtige Möglichkeit, die Bedeutung sozialer Variablen für das Wohlbefinden und die Gesundheit genauer zu charakterisieren, da viele soziale Variablen in klinischen Studien aus ethischen Gründen nicht direkt gemessen werden können“, erläutert Prof. Kappeler. „Außerdem tragen die Projekte dieser Forschergruppe grundlegende Informationen zu Themen wie Stress und Gesundheit oder der Ausbreitung von Krankheitserregern bei, die beispielsweise für die Massentierhaltung oder die Übertragung von Krankheitserregern zwischen Mensch und Tieren auch ökonomische und naturschutzbiologische Relevanz besitzen.“
In sechs Forschungsprojekten untersuchen die Wissenschaftler des DPZ, der Universität Göttingen, des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie in Leipzig und des Robert-Koch-Instituts in Berlin, welche Effekte soziale Variablen wie beispielsweise Gruppengröße, Dominanzrang, soziale Unterstützung oder Paarungsstrategien auf verschiedene Aspekte und Indikatoren der Gesundheit haben. Dazu untersuchen die Forscher unter anderem Stresshormone, Parasitenbelastung und physiologisches Gleichgewicht bei wilden Lemuren, Makaken, Pavianen, Gorillas und Schimpansen. Die Übertragung von infektiösen Pathogenen innerhalb und zwischen sozialen Einheiten stellt einen weiteren, ökologisch relevanten Aspekt der Interaktionen zwischen Sozialsystemen und Gesundheit dar, der in diesen Projekten ebenfalls untersucht wird.
(cs mit Informationsmaterial der Georg-August-Universität Göttingen / idw)