Getreide ist gesund, das Korn versorgt den Körper mit Kohlenhydraten, Eiweiß und Vitaminen. Einige Menschen vertragen aber das enthaltene Eiweiß Gluten nicht. Forscher entwickeln jetzt neue Rezepturen für leckere, glutenfreie Back- und Teigwaren.
Längst nicht alle Menschen können essen, was ihnen schmeckt – jeder 250. Deutsche verträgt das Eiweiß Gluten nicht, das vor allem in den Getreidesorten Weizen, Dinkel, Roggen und Gerste vorkommt. Diese Unverträglichkeit nennen Experten Zöliakie. Für die Betroffenen bedeutet das den Verzicht auf Brot, Pizza, Pasta und Kuchen, aber auch Eiswaffeln, Knödel und Salzstangen stehen auf der Liste der verbotenen Lebensmittel. Wer unter der chronischen Darmkrankheit Zöliakie leidet, muss eine strenge Diät halten, um Durchfall, Bauchschmerzen, Erbrechen und andere Symptome zu vermeiden. Auf dem Speiseplan stehen daher ausschließlich glutenfreie Produkte.
Die Nachfrage nach diesen Lebensmitteln, die vorwiegend kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) anbieten, ist in den vergangenen Jahren zwar kontinuierlich gestiegen. Dennoch lehnen viele Konsumenten Back- und Teigwaren ohne Gluten ab, da sie nicht schmackhaft sind, hinsichtlich ihrer Konsistenz nicht überzeugen und ein unangenehmes Mundgefühl verursachen. Dieses Urteil hat sich auch in Verbrauchertests mit Zöliakiepatienten und gesunden Probanden bestätigt. Die Tests sind ein wesentlicher Bestandteil des EU-Projekts GlutenFree (www.glutenfree-project.eu), das das Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung IVV in Freising koordiniert. Beteiligt sind Ingredients- und Lebensmittelhersteller sowie Forschungseinrichtungen aus Deutschland, Irland, Italien und Schweden. Ziel des Projekts ist es, KMUs zu ermöglichen, qualitativ hochwertige, leckere glutenfreie Produkte zu entwickeln, die der Verbraucher mit Freude und Genuss verzehrt. Dabei handelt es sich vor allem um Brot und Pasta, deren Geschmack, Geruch, Mundgefühl, Aussehen und Textur verbessert werden sollen.
Gluten hat gute Backeigenschaften, es hält den Teig zusammen, daher wird es auch Kleber-Eiweiß genannt. »Im Gluten sind die beiden Proteinfraktionen Gliadin und Glutenin enthalten. Sie formen eine Netzwerkstruktur, also quasi das Teiggerüst, und sorgen für gute Porenbildung und die viskoelastischen Eigenschaften des Teigs, so dass er beim Backen seine Form behält und locker bleibt«, sagt Dipl-Ing. Jürgen Bez, Wissenschaftler am IVV. Glutenfreie Backwaren trocknen schneller aus, bröseln leichter und haben eine geringere Haltbarkeit. Nudeln ohne das Eiweiß verkochen schneller, sind klebrig und weniger elastisch. »Nahrungsmittelzutaten zu finden, die die positiven Eigenschaften des Gluten ersetzen, ist daher eine Herausforderung«, sagt Bez. Das beginnt bereits bei der Rohstoffauswahl: Quinoa etwa verursacht häufig einen bitteren Geschmack. Den Forschern ist es dennoch gelungen, Zutaten wie pflanzliche Proteine zu finden, die eine dem Kleber-Eiweiß entsprechende Strukturbildung in Back- und Teigwaren ermöglichen. Sie haben Hydrokolloide wie Xanthan, HPMC und Dextran unter die Lupe genommen sowie Mehle aus Getreiden und aus Pseudogetreiden wie Amarant, Quinoa, Buchweizen. Zudem wurden Proteinisolate aus Kartoffel und aus Hülsenfrüchten wie Lupine, Ackerbohnend Erbse analysiert und die Wechselwirkung verschiedener Rezepturbestandteile während des Herstellungsprozesses und deren Einfluss auf Textur, Sensorik und Aromabildung untersucht. Getestet wurden verschiedenste Rezepturen – beispielsweise kombinierten die Forscher Proteine mit löslichen Fasern wie Xanthan und HPMC oder mit unlöslichen Citrusfasern.
Auf die Mischung kommt es an
»Ein besonders lockerer Teig gelingt durch die Zugabe des Hydrokolloids Xanthan, wobei das Ergebnis stark von der Konzentration, dem Wasseranteil, der Art des Mehls und den weiteren Zutaten abhängt. Die richtige Mischung ist entscheidend«, resümiert Bez. »Hydrokolloide alleine genügen in der Regel nicht, um Gluten zu ersetzen, die Rezepturen müssen durch Proteine ergänzt werden.« Mit einem speziellen Produktionsverfahren lässt sich aus dem Samen von Lupinen und Ackerbohnen ein Proteinisolat mit viskoelastischen Eigenschaften gewinnen. Dieses Verfahren haben Bez und sein Team vom IVV ebenfalls entwickelt. »Durch Hinzufügen von Lupinenprotein konnten wir das Backvolumen verbessern«, so der Forscher. Ein weiteres Ergebnis: Durch die Zugabe von Sauerteig schimmeln die Brote nicht so schnell, auch gerät der Teig elastischer und die Brote bleiben länger frisch. Auch haben einige der glutenfreien Mehle einen höheren Nährwert als Weizenmehl. Als besonders schmackhaft haben die Testpersonen Hafer-, Reis- und Zwerghirsemehl eingestuft.
Bez beurteilt das Projekt als erfolgreich: Es sei den Projektpartnern geglückt, eine Reihe neuer und verbesserter glutenfreier Brote herzustellen, dazu gehören Toast-, Sauerteig- und Hafervollkornbrot, Ciabatta, Baguette sowie Pizzateig. Vier der beteiligten Backwarenhersteller verwenden die Rezepte für Ciabatta, Vollkornbrot und Pizzateig bereits. Zudem konnten die Forscher schmackhafte glutenfreie Spaghetti mit einem hohen Ballaststoff- und Proteingehalt herstellen. Bez geht davon aus, dass schon bald einige der neuen Produkte in den Regalen von Supermärkten und Bäckereien liegen werden.
Quelle: Fraunhofer