Autogenes Training: Die Kraft der Gedanken

Stellen Sie sich vor, Sie beißen genüsslich in eine Praline – läuft Ihnen dann auch schon beim bloßen Gedanken das Wasser im Munde zusammen? Was wir uns vorstellen, beeinflusst die Reaktionen des Körpers. Beim autogenen Training lernt man, die eigene Vorstellungskraft gezielt zu nutzen und den Körper durch Gedanken zu steuern. “Auf diese Weise ist es möglich, nachhaltig zu entspannen und stressbedingte Beschwerden zu lindern”, sagt Nicole Lazar, Diplom-Psychologin bei der AOK.

Der Berliner Arzt Johannes Heinrich Schultz hat das autogene Training (AT) in den 1920er und 1930er Jahren als eine Technik der Selbsthypnose entwickelt. Er hatte herausgefunden, dass die meisten Menschen allein mit Hilfe ihrer Vorstellungskraft auf Erholung umschalten können. Statt durch äußeren Einfluss wie bei der Hypnose ist es also möglich, das Gefühl der Tiefenentspannung auch selbst (autogen) herbeizuführen. Dabei setzt der Körper Selbstheilungskräfte frei. “Mittlerweile ist autogenes Training eine weit verbreitete, bewährte Entspannungstechnik und auch medizinisch anerkannt”, sagt Diplom-Psychologin Lazar.

Autogenes Training: Mit dem Willen körperliche Veränderungen bewirken

Wer die Methode praktiziert, lernt, das vegetative Nervensystem mit seinem Willen positiv zu beeinflussen. In der Grundstufe besteht Autogenes Training aus sechs Übungen: Schwere, Wärme, Atem, Herz, Bauch und Stirn. “Wenn sich die Übenden auf bestimmte Formeln konzentrieren, können sie dadurch körperliche Zustände wie Ruhe, Schwere, Wärme oder einen ruhigen Atem erst körperlich und dann auch psychisch als Entspannung erleben”, weiß Lazar. Die Übungen bewirken tatsächliche Veränderungen im Körper. Stellt man sich beispielsweise vor, dass der rechte Arm warm wird, weiten sich dort die Blutgefäße – dadurch fühlt sich der Arm warm an. Die Empfindung der Schwere kommt durch Muskelentspannung zustande.

Autogenes Training ist für Kinder und Erwachsene geeignet

Autogenes Training können sowohl Kinder als auch Erwachsene erlernen. Lediglich für Patienten mit psychischen oder psychosomatischen Beschwerden eignet sich die Technik nicht. “Wichtig ist, regelmäßig zu üben”, sagt die AOK-Psychologin. Dann hat Autogenes Training viele positive Auswirkungen auf die Gesundheit: Es hilft dabei
– Verspannungen zu lösen,
– innere Unruhe, Schlaf- und Konzentrationsstörungen zu mindern oder zu beseitigen,
abzuschalten,
– das Immunsystem zu stärken,
– persönliche Probleme zu bewältigen, das Selbstwertgefühl zu stärken,
– von Zigaretten und Alkohol loszukommen,
– Ängste zu lindern, zum Beispiel vor einer Prüfung.

Außerdem eignet sich Autogenes Training bei bestimmten Krankheitsbildern als therapiebegleitende Maßnahme – etwa bei ständigen Ohrgeräuschen (Tinnitus), Bluthochdruck, grünem Star (Glaukom), Schmerzen im Brustraum etwa infolge einer Herzkrankheit (Angina Pectoris), Magen-Darm-Beschwerden und Asthma.

Technik unter Anleitung erlernen

Sinnvoll ist es, die Entspannungsmethode unter Anleitung eines Experten zu erlernen. Der Trainer sollte eine Grundausbildung als Psychologe oder Psychotherapeut haben oder ein entsprechend fortgebildeter Arzt sein. Viele Bildungseinrichtungen, Volkshochschulen und Krankenkassen bieten Kurse an. “Erkundigen Sie sich am besten bei Ihrer AOK vor Ort, welche Kurse es gibt oder inwieweit Kursgebühren übernommen werden”, empfiehlt Lazar.

Es dauert eine Zeitlang, bis Anfänger die Technik beherrschen. Sie sollten daher bereit sein, nach einem Kurs mehrere Monate lang regelmäßig zehn Minuten am Tag zu üben. Wer täglich trainiert, kann nach etwa einem halben Jahr “auf Kommando” entspannen, wenn er an Leitsätze wie “Ich bin ganz ruhig” denkt.

Autogenes Training lässt sich im Liegen oder Sitzen üben, möglichst in bequemer Kleidung und an einem ungestörten Ort. “Beenden Sie jede Übung, indem Sie die Hände zu Fäusten anspannen, die Arme anwinkeln, ein paar Mal tief durchatmen, sich räkeln, die Augen öffnen und sich sagen, dass sie nun wieder ganz entspannt weitermachen können”, rät die AOK-Psychologin. Insgesamt arbeitet man mit positiven und angenehmen Vorstellungen. Wer hinterher einschlafen will, kann allerdings auf diese “Rücknahme” verzichten. Lazar erklärt einige grundlegende Übungen:

Schwereübung

Dabei soll sich das betreffende Körperteil schwer anfühlen. Dadurch entspannt sich die Muskulatur. Die Formeln können lauten:
– Mein rechter/linker Arm wird angenehm schwer.
– Mein rechtes/linkes Bein wird angenehm schwer.
– Ich bin ganz ruhig.

Wärmeübung

Durch das Wärmegefühl weiten sich die Blutgefäße im angesprochenen Körperteil. In der Folge wird die Muskulatur stärker durchblutet. Die Formeln:
– Mein rechter/linker Arm wird angenehm warm.
– Mein rechtes/linkes Bein wird angenehm warm.
– Ich bin ganz ruhig.

Atemübung

Die Konzentration ist auf einen natürlichen Atemfluss gerichtet. Dadurch kehrt Ruhe ein, die Anspannung löst sich. Die Formeln lauten beispielsweise:
– Der Atem kommt und geht.
– Der Atem fließt ruhig und gleichmäßig.
– Ich bin ganz ruhig.

(AOK)

HCC Redaktion

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