In der Metall- und Elektroindustrie sind die Mitarbeiter häufig starken körperlichen Belastungen wie dem Heben von schweren Lasten oder eintönigen Bewegungsabläufen ausgesetzt. Diesem Problem begegnet MAHLE Behr Industry mit vielfältigen gesundheitsfördernden Maßnahmen, indem neben vielen anderen Maßnahmen beispielsweise die ergonomische Ausstattung der Arbeitsplätze sowie die Erleichterung der Arbeit durch den Einsatz von Hebezeugen sowie Bereitstellen von Arbeitsschutzbekleidung zum selbstverständlichen Bestandteil der Produktion wurde.
MAHLE Behr Industry entwickelt Kühl- und Klimasysteme für Fahrzeuge, Motoren sowie Getriebe und gehört auf diesem Gebiet zu den international führenden Erstausrüstern. Das Unternehmen mit Hauptsitz in Stuttgart sowie weiteren Standorten in Mylau, Reichenbach, Freiberg, Grand Rapids (USA) und seit 2010 in Tianjin (China) liefert komplexe Kühl- und Klimasysteme für Schienen- und Sonderfahrzeuge, Schiffe, Busse, Bau- und Landmaschinen sowie für Großmotoren, Generatoren, Gensets, Windkraft- und Windenergieanlagen, Leistungselektronik und die Luftfahrtindustrie.
Petra Meissner, Manager Human Resources bei MAHLE Behr Industry am Standort Reichenbach, spricht im heutigen Interview der HCC-Best-Practice-Reihe detailliert über die Integration betrieblicher Gesundheitsförderung als festen Bestandteil in dieses Unternehmen.
Darüber hinaus wird Frau Meissner am 9. Oktober von 15:00 – 15:30 Uhr im Hauptbühnenprogramm der Fachmesse HUMAN CAPITAL CARE zum Thema „Gutes Arbeitsklima für motivierte Mitarbeiter, Kühler Kopf – Klimatisierter Bauch!“ sprechen.
Frau Meissner, bitte stellen Sie Ihr Unternehmen sowie Ihre Produkte kurz vor!
Unser Werk in Reichenbach mit ca. 420 Mitarbeitern ist das Leitwerk der MAHLE Behr Industry. Gefertigt werden Kühl- und Klimamodule für Bau- und Landmaschinen, Busse, Sonder- und Luftfahrzeuge, Kühlsysteme für die Schienenfahrzeugindustrie, Elektronikkühlung für Industrie- und IT-Anwendungen sowie Kühlung der Batterien für Hybridfahrzeuge.
Welche Besonderheiten bestehen in Ihrer Branche und vor allem in Ihrem Unternehmen hinsichtlich der Anforderungen an die Mitarbeiter im Produktionsablauf, sowohl körperlich als auch psychisch? Gibt es ein bestimmtes Belastungsprofil der Mitarbeiter?
Die Bedingungen in unserer Branche, der Metall- und Elektroindustrie sind in Abhängigkeit von der Produktvielfalt, den eingesetzten technologischen Verfahren und Abläufen sowie der Größe und Materialzusammensetzung unserer Erzeugnisse sehr differenziert. Damit ergeben sich auch für die Arbeitsbedingungen unserer Mitarbeiter die unterschiedlichsten Voraussetzungen, aber auch Anforderungen. Unser Unternehmen hat sich deshalb diesen Herausforderungen gestellt und systematisch die – für unsere Verhältnisse und unsere Rahmenbedingungen – Bausteine für ein betriebliches Gesundheitsmanagement Jahr für Jahr erarbeitet.
Die körperlichen Belastungen bestehen im Wesentlichen aus folgenden Schwerpunkten:
- Heben von schweren Teilen
- teilweise eintönige Bewegungsabläufe
- Stehen während der gesamten Arbeitszeit
- Gerüche durch die unterschiedlichen Fügeverfahren
Bezüglich der körperlichen als auch psychischen Belastungen wurde mit dem Betriebsrat gemeinsam vereinbart, dass die Werkleitung im Rahmen der Gefährdungsanalysen die technischen Themen aufbereitet und der Betriebsrat uns bei der Erstellung der Psychischen Gefährdungen unterstützt. Wir haben diese Aufgabe gemeinsam abgeschlossen und bei der psychologischen Belastung konnten wir feststellen, dass es von den insgesamt neun untersuchten Handlungsfeldern nur bei Dreien (Arbeitsanforderungen, Perspektiven am Arbeitsplatz und der räumlichen Verhältnisse) wesentliche Probleme auftraten. Aber auch die kleineren Themen lassen wir nicht unter den Tisch fallen, die auch abteilungsabhängig sind. Folgende Schwerpunkte:
- Probleme der Be- und Entlüftung, damit auch ungenügendes Klima
- Aufstiegs- und Entwicklungsmöglichkeiten
- Zugang Intranet
- Qualifikationsangebote
Schwerpunkt werden wir auf den Punkt Be- und Entlüftung legen müssen, weil die anderen Punkte immer relativ zu werten sind.
Wie und wann kam es dazu, dass sich Ihr Unternehmen für Maßnahmen im betrieblichen Gesundheitsmanagement entschied und wie sah in diesem Zusammenhang die Ausgangssituation Ihres Unternehmens aus?
Seit 2004 haben wir unsere Aktivitäten hinsichtlich der Umsetzung unseres Gesundheitskonzepts immer mehr ausgebaut und intensiviert. Unser Krankenstand lag zu diesem Zeitpunkt unter 3 Prozent und wir wollten, dass wir diese Zielstellung auch mit dem Wachstum an Produkten, dem Einsatz neuer Technologien, der Integration neuer Mitarbeiter, der zunehmenden Globalisierung stabilisieren und halten. Begonnen haben wir mit unserem Gesundheitspräsent und haben dann systematisch weitere Maßnahmen installiert. Daraus wurde dann in 2008 unser Konzept zur „Betrieblichen Gesundheitsförderung“, welches wir jährlich auf Wirksamkeit analysieren und an die jeweiligen Erfordernisse anpassen.
Durch das Wachstum, das unser Unternehmen in den Jahren 2008 und 2009 umsetzten musste, waren viele Ideen nicht nur technisch und organisatorisch, sondern auch inhaltlich gefragt, um die Voraussetzungen für das Wachstum zu generieren. Das Gesundheitskonzept spielte hierbei eine wesentliche Rolle. Gerade bei der Layout- und Arbeitsplatzgestaltung haben wir gemeinsam mit unseren Stuttgarter Kollegen sowie der wissenschaftlichen Begleitung der TU Chemnitz mit unserem Team aus dem Bereich Industrialisierung gute Grundlagen geschaffen, um auch bei Änderungen im Fertigungsablauf sofort und fachlich perfekt reagieren zu können.
Wie haben Sie in Ihrem Unternehmen betriebliches Gesundheitsmanagement bzw. betriebliche Gesundheitsförderung in die eigenen Prozesse integriert und worauf mussten Sie in Ihrem Betrieb besonders achten? Haben Sie sich auch Hilfe von außerhalb geholt?
„Betriebliches Gesundheitsmanagement“ und „Betriebliche Gesundheitsförderung“ sind fester Bestandteil unserer Unternehmenskultur. Die Aktivitäten sind in unserer Personalentwicklung sowohl inhaltlich als auch terminlich fixiert. Diese Themen werden regelmäßig in den Beratungen der Werkleitung mit allen Führungskräften angesprochen. Unterstützung holen wir uns bei Bedarf natürlich auch bei externen Partnern, wie Hochschulen, Krankenkassen und anderen Leistungsträgern.
Die ergonomische Ausstattung der Arbeitsplätze ist genauso Usus, wie die Erleichterung der Arbeit durch den Einsatz von Hebezeugen sowie Bereitstellen von Arbeitsschutzbekleidung. Selbstverständlich lassen sich nicht alle Belastungen ausschließen, aber minimieren. Regelmäßige Begutachtungen der Arbeitsplätze durch die Werkleitung mit dem Betriebsarzt, HR und der Sicherheitsfachkraft gewährleisten, dass Mängel schnell erkannt und abgestellt werden können. Dreimal jährlich werden in der Arbeitsschutzausschusssitzung mit den vorgenannten Beteiligten unter Hinzuziehung des global agierenden Sicherheitsfachexperten von MAHLE und der MAHLE Behr Industry aufgetretene Problemfelder analysiert und Abstellmaßnahmen eingeleitet. In den Produktlinien haben wir zusätzlich bereits Begutachtungen durch Bewegungsfachkräfte der Krankenkasse durchführen lassen. Insgesamt haben wir dabei sehr gut abgeschnitten. So bedeutet dies, dass wir ganz besonders die Belästigung durch Lärm, Schmutz oder auch Erschwernisse in einem für die M+E Branche sehr gut reduzieren konnten.
Unsere Aktivitäten im „Betrieblichen Gesundheitsmanagement“ sowie in der gesamten Personalentwicklung haben uns zu einem guten Ruf in der Region verholfen.
Welche Maßnahmen ergriffen Sie im Einzelnen bzw. wie sahen konkrete Angebote für Ihre Mitarbeiter aus und wie wurden diese umgesetzt?
Bei der Layout- und Arbeitsplatzgestaltung haben wir gemeinsam mit unseren Stuttgarter Kollegen sowie Analysen der TU Chemnitz mit unserem Team aus dem Bereich Industrialisierung gute Grundlagen geschaffen, um auch bei Änderungen im Fertigungsablauf sofort und fachlich perfekt reagieren zu können.
Folgende Maßnahmen haben wir umgesetzt (Auswahl):
- Regelmäßige Arbeitsplatzbegehungen
- Dreimal jährlich Arbeitsschutzausschusssitzungen (Werkleiter, HR, Sicherheitsfachkraft, Instandhaltungsleiter, Arbeitsmediziner, Sicherheitsfachkraft global)
- Informationstag zum Thema Gesundheit
- Bereitstellung verschiedener Kursangebote
- Einführung eines Bonussystems
- Jährliche Auswertung der AU Daten im Vergleich zur Branche und zum Land Sachsen
- Gesundheitspräsente
- Gesundheitsbewusste Ernährung u.v.a.m..
Wie reagierten Ihre Mitarbeiter auf die neuen Angebote und Maßnahmen und wie gut wurden diese auch praktisch angenommen?
Mehrheitlich nehmen die Mitarbeiter die Angebote wahr und geben uns ein positives Feedback. Natürlich erreichen wir nicht jeden. Dies ist nicht zuletzt auch abhängig vom Alter und dem Gesundheitszustand des einzelnen Mitarbeiters. Wir können aber sagen, dass die bisherigen Maßnahmen in der Umsetzung sehr erfolgreich waren.
Zeigten sich schon erste Erfolge durch die Maßnahmen und wenn ja, wann wurden diese sichtbar?
Wir führen jährlich eine Auswertung der Arbeitsunfähigkeitsdaten auf der Basis einer Analyse der am stärksten im Unternehmen vertretenen Krankenkasse durch. Erfreulicherweise konnten wir dabei sowohl im Branchenvergleich aber auch dem Vergleich mit anderen Unternehmen in Sachsen sehr gute Ergebnisse feststellen. In einer Befragung hinsichtlich der Mitarbeiterzufriedenheit wurde uns attestiert, dass wir uns auf dem richtigen Weg befinden.
Auch bei den Arbeitsunfällen liegen wir im Vergleich im Konzern für ein Produktionswerk sehr gut.
Die Unfallrate liegt bei 0,0038. Dies ist die Anzahl der Arbeitsunfälle gerechnet auf 1000 Mitarbeiter. Der Schwerpunkt bei den Arbeitsunfällen liegt bei Wegeunfällen und nicht wie man denken sollte in der Fertigung bedingt.
Waren die gewählten Maßnahmen auf Anhieb erfolgreich? Musste Ihr Unternehmen noch etwas an seinem Vorgehen anpassen?
Ein Großteil der Maßnahmen war auf Anhieb erfolgreich, aber wir mussten auch gemeinsam mit dem Betriebsrat da und dort Anpassungen oder kleine Änderungen vornehmen; so z. B. bei unserem Bonusprogramm, wo wir nicht die Mehrheit der Belegschaft erreichen konnten. Unterschiedlich war auch die Anzahl der Teilnehmer bei verschiedenen Projekten. Aufgrund der Erfahrungen, die wir hierbei gewinnen, wird dann sofort reagiert und Änderungen eingebracht und umgesetzt.
Wie veränderte sich das Unternehmen durch die Maßnahmen hinsichtlich beispielsweise der Fehltage, der Zufriedenheit der Mitarbeiter und der Wirtschaftlichkeit?
Die Fehltage konnten wir weiterhin stabil halten und liegen zurzeit im Durchschnitt bei 3,5 Prozent. Die Mitarbeiterzufriedenheit ist gestiegen. Dies zeigt sich daran, dass wir so gut wie keine Fluktuation haben, aber auch nicht nur Maßnahmen im Gesundheitsmanagement umgesetzt haben, sondern auch einen „bunten Blumenstrauß“ an Angeboten zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf gebunden haben, u.a. individuelle Arbeitszeitangebote, Bereitstellung von KITA-Plätzen, Familienfeste, Zusammenarbeit mit KITA’s, Schulen, Sportclubs und Jugendeinrichtungen. Auch die Entwicklung wirtschaftlicher Kennzahlen, wie z. B. die Produktivitätssteigerung gegenüber 2012 liegt derzeit bei 9,4 Prozent. Dies ist eine sehr gute Leistung, die nicht technischen Maßnahmen zuzuschreiben ist, sondern hier besonders die Mitarbeiter mit ihren Vorschlägen sehr gut dazu beigetragen haben.
Wie steht es heute um die Unternehmensgesundheit und wie wollen Sie langfristig vorgehen?
Wie Sie aus den vorgenannten Zahlen erkennen können, ist unsere Unternehmensgesundheit sehr gut – nicht nur die der Mitarbeiter, sondern auch das Unternehmen selbst steht wirtschaftlich auf stabilen Füßen. Wichtige Punkte, die wir angehen wollen sind die Pflege von Familienangehörigen, die altersgerechte Gestaltung von Arbeitsplätzen und Weiterbildung, aber auch die eventuelle Integration von Fachkräften aus dem Ausland.
Haben Sie abschließend einige Tipps für Unternehmen, die darüber nachdenken, ebenfalls die Gesundheit ihrer Mitarbeiter zu fördern?
Wichtig ist immer, das Zusammenwirken zwischen Unternehmen und Individuum und damit konkrete Maßnahmen auf die einzelne Gruppe, aber auch Person auszurichten. Dies bedarf höchster Sensibilität besonders bei den Führungskräften, aber auch viel „Fingerspitzengefühl“ bei der Umsetzung der Maßnahmen und die enge Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat, aber auch im Konzern. Wir müssen nicht immer das Fahrrad neu erfinden – der beste Weg ist stets der Erfahrungsaustausch mit anderen Werken, anderen Unternehmen – auch branchenübergreifend – und besonders die Arbeit in Netzwerken. Wichtig ist die rechtzeitige Einbindung aller am Prozess Beteiligten, um sie als Begleiter und Akteure zu gewinnen.
Vielen Dank für Ihre Antworten und Erfahrungen!
Interview: Anja Gebhardt (Redaktion HCC-Magazin)