Die mobile Gesellschaft fordert auch bei der Ernährung ihren Tribut. Das zeigt die Ernährungsstudie “Iss was, Deutschland?” der Techniker Krankenkasse (TK). Gerade junge Menschen sind beim Essen kaum noch bei der Sache. Vier von zehn jungen Erwachsenen essen mit der Gabel in der einen und dem Smartphone in der anderen Hand – und nebenbei läuft der Fernseher. Unterwegs gibt’s dann auf dem Weg zur S-Bahn noch eine Pizzazunge, bei jedem dritten unter 25-Jährigen sogar mindestens dreimal die Woche.
Dr. Jens Baas, Vorstandsvorsitzender der TK: “Ernährung muss in unserem Alltag wieder mehr Raum bekommen. Dabei geht es nicht um stundenlange Zeitfenster, sondern darum, dass man in dem Moment bei der Sache ist”, so Baas bei der Vorstellung der Studie in Berlin. Der 38-seitige Studienband mit allen Ergebnissen steht ab sofort frei zugänglich bei der TK im Internet.
Die Studie im Detail: Bei den Berufstätigen fällt es immer mehr Menschen schwer, eine gesunde Ernährung mit ihrer Arbeit zu vereinbaren. Nur jeder Zweite kann in seinen Arbeitspausen tatsächlich in Ruhe essen. “Ein Drittel aller Berufstätigen beklagt, dass eine gesunde Ernährung bei seiner Arbeit schlichtweg nicht möglich ist”, sagt Professor Manfred Güllner, Geschäftsführer des Meinungsforschungsinstituts Forsa, das für die TK bevölkerungsrepräsentativ 1.000 Erwachsene zu ihrem Essverhalten befragt hat. Die Hauptprobleme mit dem Essen bei der Arbeit: die begrenzte Auswahl und fehlende Zeit. Statt “Fünf am Tag” ist der Ausweg für viele: “Vier von zehn befragten Berufstätigen geben an, dass sie bei der Arbeit nicht viel essen, dafür dann aber abends zu Hause reichlich”, so Güllner.
Nur für jeden zweiten Menschen in Deutschland hat das Essen einen hohen Stellenwert. Und nur jeder Vierte gibt an, dass er sich konsequent gesund ernährt. Die Folge: Nur in der Hälfte aller Haushalte gibt es noch täglich ein selbstzubereitetes Mahl. Dafür kommen immer öfter schnelle Fertiggerichte auf den Tisch: Im Bevölkerungsschnitt greifen vier von zehn Menschen mindestens ein- bis zweimal die Woche zu Tütensuppe oder Tiefkühlpizza.
Die größte Hürde auf dem Weg zu einer gesünderen Ernährung ist die tickende Uhr: Die Hälfte der Bevölkerung nennt fehlende Zeit und Ruhe als Hauptgrund – von den unter 25-Jährigen sogar fast drei Viertel. Daneben siegt auch der innere Schweinehund oft gegen die guten Vorsätze. Von den Geringverdienern gibt zudem mehr als jeder dritte fehlendes Geld als Hindernis an. Ernährungsmedizinerin Dr. Ute Gola ist überzeugt: “Gesund zu essen, ist nicht allein Frage des Geldbeutels. Es geht darum, Verantwortung für die Gesundheit des eigenen Körpers zu übernehmen.” Deshalb setzt die Leiterin des Berliner Instituts für Ernährung und Prävention in Kooperation mit der TK darauf, möglichst früh und direkt auf die Lebenssituation der Menschen einzuwirken – in den Kitas und Schulen, in den Familien und vor allem in den Betrieben.
TK-Chef Dr. Jens Baas: “Wenn wir eine Gesellschaft wollen, die länger und gesünder lebt, müssen wir uns stärker darum kümmern, was wir essen und wie wir essen. An beiden Punkten können und müssen wir ansetzen.” Er sieht dabei alle gefordert: den Staat, die Krankenkassen und -versicherungen, Unternehmen, Schulen, Länder und Gemeinden, Ärzte – aber auch jeden Einzelnen. “Denn Bewusstsein kann man vermitteln, aber nicht verordnen”, so Baas.
Die wichtigsten Ergebnisse der TK-Ernährungsstudie „Iss was, Deutschland?“
Essen ist nur jedem Zweiten wichtig – junge Erwachsene, Männer und Geringverdiener achten am wenigsten auf die Gesundheit
Für die Hälfte aller Befragten hat das Essen einen hohen Stellenwert. Das heißt aber auch: Im Leben jedes zweiten Menschen in Deutschland verkommt es zur Nebensache. Frauen ist ihre Ernährung dabei deutlich wichtiger als Männern – und sie ernähren sich auch wesentlich gesünder.
Beim starken Geschlecht steht das Motto “Hauptsache lecker!” klar im Vordergrund. Jeder zweite Mann aber nur jede dritte Frau sagt dies von sich. Besonders wenig achten die jungen Erwachsenen unter 25 Jahren darauf, ob ihr Essen gesund ist. Das Motto “Hauptsache gesund!” gilt nicht einmal für jeden vierten von ihnen. Und nur jeder zehnte unter 25-Jährige gibt an, dass er sich konsequent gesund ernährt – von den Senioren sagen dies immerhin vier von zehn. Auch Einkommen und Bildungsstand haben einen Einfluss darauf, wie gesund man isst: Je höher Schulbildung und Einkommen, desto gesünder ist, was auf den Tisch kommt.
Fleisch und Fertiggerichte – für viele unverzichtbar
Je geringer der Bildungsstand und das Einkommen, desto mehr Wurst kommt aufs Brot. Im Schnitt isst die Hälfte der Bevölkerung jeden Tag Wurst oder Fleisch. Vor allem in Haushalten mit einem Monatseinkommen von maximal 1.500 Euro gehört das tägliche Stück Fleisch zum Essen dazu. Und es sind vor allem die Jüngeren und die Männer, die regelmäßig Nachschub von der Wursttheke verlangen.
Fertiggerichte kommen besonders oft bei den jungen Erwachsenen auf den Tisch: Sechs von zehn unter 25-Jährigen essen einmal die Woche bis täglich Fertigessen – jeder sechste sogar öfter als dreimal die Woche. Im Bevölkerungsschnitt greifen vier von zehn Menschen mindestens ein- bis zweimal die Woche zu Tütensuppe oder Tiefkühlpizza.
Frauen sind die größeren Frustesser
Eigentlich sind Frauen vernünftiger, was ihre Ernährung angeht. Sind sie aber mal so richtig schlecht drauf, ist ihnen auf einen Schlag alles egal. Frauen, das zeigt die Umfrage, sind die größeren Frustesser. 40 Prozent hauen bei schlechter Laune richtig rein. Bei den Männern tun das nur halb so viele.
Die Ausreden der Fastfood- und Fertigessen-Fans
Die größte Hürde auf dem Weg zu einer gesünderen Ernährung ist die tickende Uhr. Die Hälfte der Bevölkerung nennt fehlende Zeit und Ruhe als Hauptgrund – von den unter 25-Jährigen sogar fast zwei Drittel. Daneben siegt auch der “innere Schweinehund” oft gegen die guten Vorsätze, wie vier von zehn Befragten angeben. Von den Geringverdienern gibt zudem mehr als jeder dritte fehlendes Geld als Hindernis für eine gesunde Ernährung an.
Kochen ist nach wie vor Frauensache
In Deutschlands Küchen sind es die Frauen, die fürs Essen zuständig sind: 80 Prozent von ihnen stehen zu Hause am Herd, bei den Männern sind es bescheidene 35 Prozent. Und während 93 Prozent der Frauen ihre Kochkünste selbst als gut oder sogar sehr gut bezeichnen, sagen vier von zehn Männern von sich, dass sie allenfalls ein bisschen kochen können – wenn überhaupt.
Nur in der Hälfte aller Haushalte gibt es täglich ein selbstzubereitetes Mahl. In jedem dritten wird noch drei- bis fünfmal die Woche gekocht, beim Rest bleibt die Küche meist kalt. Zeitmangel ist der Hauptgrund, der davon abhält, sich häufiger an den Herd zu stellen. Was denjenigen, die hektisch durch den Alltag jagen, durchaus bewusst ist: Nicht einmal die Hälfte aller Frauen findet, dass sie genug kocht. Bei den Männern ist es sogar nur knapp jeder fünfte. Und: Viele Menschen haben schlichtweg keine Lust oder sind zu faul zum Kochen. Bei jedem Sechsten siegt die Trägheit über den Appetit – bei den Männern sogar bei fast jedem Vierten.
Essen ist Nebensache – bei jedem Dritten laufen TV oder Internet
Bei einem Drittel der Befragten läuft beim Essen nebenbei der Fernseher oder Computer – egal ob Mann oder Frau, erwerbstätig oder nicht. Nur das Alter spielt dabei eine Rolle: Je jünger, desto mehr essen mit der Gabel in der einen und dem Smartphone in der anderen Hand – und nebenbei läuft der Fernseher. Bei vier von zehn unter 25-Jährigen wird das Essen zur Nebensache. Und andersherum liegt beim Fernsehen oder Surfen im Internet auch die Chipstüte oft griffbereit: Jeder Vierte nascht oft auf dem Sofa – von den 18- bis 35-Jährigen sogar jeder Dritte.
“to go” ist in – gerade bei jungen Erwachsenen und Gutverdienern
Jeder Dritte unter 25 Jahren isst zudem mindestens dreimal die Woche nebenbei etwas, wenn er unterwegs ist. Nicht selten sind es Burger, Pommes oder Currywurst: Jeder fünfte von ihnen greift ein- bis zweimal die Woche zu dieser ungesundesten Variante. Mit den Jahren aber verlieren die meisten den Gefallen daran – je älter die Menschen werden, desto weniger essen sie unterwegs. Besonders schätzen das unkomplizierte Nebenbei-Essen unterwegs Menschen mit hohem Bildungsniveau und Einkommen. Geringverdiener hingegen scheinen sich das Essen unterwegs nicht so oft leisten zu können. Über die Hälfte der Befragten mit einem Haushaltsnettoeinkommen von maximal 1.500 Euro sagen, dass sie nie unterwegs etwas zu essen kaufen. Immerhin ein Drittel aller Befragten bemüht sich zumindest, unterwegs zu etwas Gesundem zu greifen.
Gesunde Ernährung nur schwer mit heutiger Arbeitswelt vereinbar
Vielen Berufstätigen in Deutschland fällt es schwer, sich am Arbeitsplatz gesund zu ernähren. Nur jeder Zweite kann in seinen Arbeitspausen tatsächlich in Ruhe essen. Ein Drittel aller Berufstätigen beklagt, dass eine gesunde Ernährung bei seiner Arbeit schlichtweg nicht möglich ist. Die schlechten Bedingungen am Arbeitsplatz rangieren in der Liste der Gründe, die Berufstätige insgesamt von einer gesunden Ernährung abhalten, weit oben – an dritter Stelle hinter mangelnder Zeit und schwachem Durchhaltevermögen. Die Hauptprobleme mit dem Essen bei der Arbeit: die begrenzte Auswahl (das geben vier von zehn Berufstätigen an) und fehlende Zeit (jeder Dritte). Der Ausweg für viele: Vier von zehn befragten Berufstätigen geben an, dass sie bei der Arbeit nicht viel essen, dafür dann aber abends zu Hause reichlich.
Auch eine Zeitfrage: Fast jeder Zweite gibt an, dass er bei der Arbeit oft vergisst, genug zu trinken. Vor allem trifft dies auf Frauen, jüngere Berufstätige sowie Menschen mit einem höheren Bildungsniveau und Einkommen zu.
Chronisch Kranke essen kaum besser als Gesunde
Selbst Menschen, die unter nicht zuletzt ernährungsbedingten chronischen Krankheiten wie Herz- Kreislauf-Problemen oder Stoffwechselerkrankungen leiden, essen kaum gesünder als der Rest der Bevölkerung. So sagen auffallend viele von ihnen, dass Fett für sie zu einem leckeren Essen dazu gehört. Auch Fleisch kommt bei ihnen fast genauso häufig auf den Tisch.
Diäten: Nach dem kurzfristigen Erfolg kommt der Jo-Jo-Effekt
Wie die Umfrage zeigt, hadert jeder zweite Deutsche mit seinem Gewicht. Und so sind auch jede zweite Frau und jeder vierte Mann ihren Pfunden bereits mit kurzfristigen Diäten auf den Leib gerückt – die meisten von ihnen mehrfach. Von den Menschen mit starkem Übergewicht gibt dies die Hälfte an – das heißt auch: Fast jeder zweite stark Übergewichtige hat noch nie eine Diät probiert. Auch von den Menschen, die nach eigener Angabe leichtes Übergewicht haben, haben nur vier von zehn Diäterfahrung.
Und das Ergebnis? Die Erfahrungen mit Diäten sind entmutigend: Sechs von zehn der Befragten, die sich durch eine Abmagerungskur gekämpft haben, haben den sogenannten Jo-Jo-Effekt am eigenen Leib erlebt. Sie hatten anschließend mehr Pfunde auf den Hüften als zuvor. Ganz anders sind die Erfahrungen mit einer grundlegenden Ernährungsumstellung. Fast jeder zweite Befragte hat dies schon einmal ausprobiert. Gegenüber Diäten ein Erfolgsmodel, wie die Umfrage zeigt: Sechs von zehn Befragten konnten ihr Gewicht dadurch dauerhaft reduzieren.
Zum Hintergrund
Im Auftrag der TK hat Forsa im Januar 2013 bevölkerungsrepräsentativ 1.000 Erwachsene in Deutschland zu ihrem Ernährungsverhalten befragt.
>> Der 38-seitige Studienband mit den Ergebnissen zum kostenlosen Download.
(TK)