Nach jedem Lebensmittelskandal wird der mündige und informierte Verbraucher beschworen. Doch wie treffen wir eigentlich Essensentscheidungen? Wägen wir Inhaltsstoffe, Preis und Aussehen der Lebensmittel sorgfältig gegeneinander ab? Wissenschaftler unter Leitung des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung in Berlin gingen diesen Fragen nach und fanden heraus, dass wir es uns gerne möglichst einfach machen. Ein Ergebnis, das auch bei der Gestaltung von Lebensmittelkennzeichnungen berücksichtigt werden sollte.
Welche und wie viele Informationen berücksichtigen wir bei unseren Essensentscheidungen?
In einer Studie* untersuchten Wissenschaftler das Entscheidungsverhalten von Kantinenbesuchern und kommen zu dem Ergebnis, dass diese bei weitem nicht alle dargebotenen Informationen nutzen. Die Konsumenten trafen ihre Entscheidung vor allem nach dem Aussehen der Speisen, deren Namen und Preis. Erst dann wurden Informationen zu Inhaltsstoffen wie Kalorien, Fett, Kohlenhydraten oder Salz in Betracht gezogen.
„Uns interessierte, wie Menschen mit komplexen Informationen umgehen. Dass sie auch bei der Essensauswahl auf einfache Entscheidungsstrategien bauen, deckt sich mit Ergebnissen der aktuellen Entscheidungsforschung“, sagt der Erstautor der Studie Michael Schulte-Mecklenbeck vom Forschungsbereich „Adaptive Rationalität“ des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung. Weshalb es sich Menschen einfach machen, hat nach Ansicht des Wissenschaftlers folgenden Grund: Menschen greifen auf einfache Entscheidungsstrategien zurück, um ihren Alltag besser zu bewältigen. Dabei würden ihnen Erfahrungen aus früheren Essensentscheidungen und das Wissen um ihre Vorlieben helfen.
Zu Inhalt und Methodik
Für die Studie nahmen 56 Kantinenbesucher an einem Experiment teil. Die Teilnehmer sollten am Computerbildschirm eine Auswahl unter den angebotenen Speisen treffen. Bei der Entscheidung halfen ihnen Bilder der Gerichte sowie Informationen zu Preis, Name der Speisen und deren Nährwerte. Durch die Auswahl am Computer konnten die Forscher genau nachvollziehen, worauf die Probanden Wert legten. Die gesammelten Daten wurden dann nach dem Vorhandensein verschiedener Entscheidungsstrategien ausgewertet, beispielsweise ob alle Informationen oder nur ein Teil berücksichtigt wurden. Das Ergebnis ist eindeutig: Etwa drei Viertel der Teilnehmer verwendeten heuristische, das heißt einfache, Entscheidungsstrategien bei der Essensauswahl.
Die Studie liefert auch Anhaltspunkte für die Entwicklung von Lebensmittelkennzeichnungen
„Dass sich Verbraucher offensichtlich auf wenige dargebotene Informationen bei ihrer Entscheidung stützen, bedeutet nicht zwangsläufig eine Absage an den Wert von Lebensmittelkennzeichen“, so Michael Schulte-Mecklenbeck. Zusätzlich zu den gesetzlich vorgegebenen, aber oft langatmigen Aufzählungen von Inhaltsstoffen, sollten Lebensmittelkennzeichen gezielt die wichtigsten Informationen hervorheben – wie beispielsweise die Kalorien oder den Anteil der Nährstoffe an der empfohlenen Tagesdosis.
Aktuell untersuchen die Wissenschaftler inwiefern eine vereinfachte Gestaltung von Nahrungsmittelkennzeichen gesündere Essensentscheidungen erlaubt.
(Max-Planck-Institut für Bildungsforschung via idw)
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*Originalstudie:
Schulte-Mecklenbeck, et al. (2013): A lack of appetite for information and computation. Simple heuristics in food choice, in: Appetite 71, S. 242 ff