Forscher der Universität Bonn untersuchen die biologischen Grundlagen ökonomischer Entscheidungen
Manche Menschen leben getreu dem Motto „no risk – no fun!“ und gehen kaum einem Risiko aus dem Weg. Andere verhalten sich deutlich vorsichtiger und setzen bei Kapitalanlagen und sonstigen Geschäften vor allem auf Sicherheit. Wissenschaftler der Universität Bonn untersuchten mit ihren Kollegen der Universität Zürich die Risikoeinstellungen von 56 Probanden. Dabei zeigte sich, dass bei zur Sicherheit neigenden Menschen bestimmte Hirnregionen stärker aktiviert werden, wenn sie mit besonders unvorhersehbaren Situationen konfrontiert werden. Darüber hinaus unterscheiden sie nicht so deutlich wie die Risikofreudigen, ob eine Situation mehr oder weniger riskant ist als erwartet. Die Ergebnisse sind nun im renommierten „Journal of Neuroscience“ veröffentlicht.
„Uns interessierte insbesondere der Zusammenhang zwischen Risikopräferenzen und Gehirnregionen, die diese Informationen verarbeiten“, sagt Prof. Dr. Bernd Weber vom Center for Economics and Neuroscience (CENs) der Universität Bonn. Die Forscher testeten insgesamt 56 Probanden zunächst auf ihre Risikofreudigkeit. „Die Testpersonen hatten in einem ökonomischen Spiel die Wahl zwischen einer sicheren Auszahlung und einer Lotterie“, berichtet Erstautorin Sarah Rudorf vom CENs. Wer während dieses Tests sehr der Lotterie zuneigte, wurde als risikofreudig eingestuft. Andere bevorzugten selbst dann die sichere Auszahlung, wenn die Lotterie eindeutig die besseren Gewinnchancen versprach. Sie wurden der Gruppe der Risikovermeider zugeordnet.
Bei Risikoscheuen sind bestimmte Hirnregionen stärker aktiviert
Anschließend absolvierten die Probanden im Hirnscanner ein Kartenspiel, mit dem ihre Risikowahrnehmung untersucht werden sollte. Sie bekamen Karten mit den Ziffern eins bis zehn in die Videobrille vor ihren Augen eingeblendet. Es wurden immer zufällig zwei Karten nacheinander gezogen. Noch bevor die Probanden die Karten sahen, sollten sie darauf wetten, ob die zweite Karte über eine höhere oder geringere Zahl verfügen werde als die erste. „Die statistische Eintrittswahrscheinlichkeit für beide Fälle ist jeweils gleich: fifty/fifty“, sagt Prof. Weber, „Das ist wichtig, damit alle Probanden, ob risikofreudig oder nicht, riskante Situationen im Scanner erleben.“ Erst als die Probanden die erste Karte sahen, konnten sie einschätzen, wie wahrscheinlich sie ihre Wette gewinnen würden. Die Wissenschaftler stellten dabei fest, dass bei den Probanden, die eher Risiken scheuen, zwei bestimmte Hirnregionen stärker aktiviert waren als bei den risikofreudigen Testpersonen. Es handelt sich dabei um das „ventrale Striatum“ und den „Inselcortex“. Das ventrale Striatum reagiert sowohl auf die Wahrscheinlichkeit eines Gewinns als auch darauf, wie gut man den Ausgang einer Wette vorhersagen kann. Der Inselcortex ist besonders sensibel für das Risiko einer Situation und dafür, ob das Risiko größer oder kleiner ist als erwartet.
Risikofreudige richten ihre Strategie nach Glückssträhnen
„Offenbar nehmen die Menschen, die über eine stärkere Aktivierung dieser Gehirnregionen verfügen, Risiken deutlicher wahr und belegen sie negativer als die Risikofreudigen“, fasst Sarah Rudorf die Ergebnisse zusammen. Risikoscheue überschätzten offensichtlich die Folgen der Risiken und unterschieden nicht so deutlich zwischen Situationen, die mehr oder weniger riskant waren als erwartet. Die Testpersonen hingegen, die zu größeren Risiken neigten, richteten zudem ihr Verhalten stärker auf Gewinne und Verluste aus und änderten nach negativen Situationen auch deutlicher ihre Strategie.
Studie zeigt erstmals direkt die neurobiologischen Zusammenhänge
„Diese Studie zeigt erstmals die neurobiologischen Zusammenhänge, wie individuelle Risikopräferenzen die Risikowahrnehmung bestimmen“, sagt Prof. Weber. „Das hat auch Auswirkungen auf Handlungen in der Finanzwelt und im Gesundheitsbereich.“ Im nächsten Schritt wollen die Wissenschaftler untersuchen, welche Konsequenzen diese Resultate auf das ökonomische Verhalten etwa auf dem Aktienmark haben. „Damit ließe sich vielleicht sogar die Beratung von Anlegern mit Blick auf ihr individuelles Risikoverhalten verbessern“, sagt Prof. Weber. Ein weiteres wichtiges Feld sei der Gesundheitsbereich. Raucher wissen, dass ihr Handeln sehr gefährlich ist, und rauchen trotzdem. „Wenn die Risikoeinstellung von Rauchern besser bekannt ist, können vielleicht wirksamere Anti-Raucher-Kampagnen entwickelt werden.“
Publikation: Neural Correlates of Anticipation Risk Reflect Risk Preferences, Journal of Neuroscience, DOI: 10.1523/JNEUROSCI.4235-11.2012
Quelle: Universität Bonn