Software erkennt genetisch bedingte Krankheiten

Relativ genaue Diagnose soll bereits im frühen Kindesalter erfolgen

Ein von Wissenschaftlern der University of Oxford entwickeltes Computerprogramm kann lernen, seltene genetisch bedingte Krankheiten durch die Analyse von digitalen Fotos zu erkennen. Diese Entwicklung soll Ärzte dabei unterstützen, eine Diagnose bei Kindern zu erstellen. Das Programm sollte laut Christoffer Nellaker und Andrew Zisserman sogar in der Lage sein, unbekannte genetische Erkrankungen zu erkennen, wenn eine Gruppe von Fotos in der Datenbank über spezifische Eigenschaften verfügt.

Vom fragilen X-Syndrom bis Progerie

Schätzungen gehen davon aus, dass rund sechs Prozent der Menschen von seltenen genetischen Erkrankungen wie das fragile X-Syndrom betroffen sind. Viele der Patienten erhalten jedoch nie eine korrekte klinische Diagnose. Zudem gibt es für die meisten Krankheiten keine entsprechenden Tests, da die verantwortlichen genetischen Varianten noch nicht identifiziert sind.

Ärzte müssen aus diesem Grund häufig auf ausgeprägte Gesichtszüge zurückgreifen, wie sie bei 30 bis 40 Prozent der seltenen Krankheiten auftreten. Nur wenige Ärzte sind jedoch in der Erkennung dieser Gesichtszüge ausgebildet. Es kann daher laut Alastair Kent von Genetic Alliance UK Jahre dauern, bis Eltern eine Diagnose für ihr Kind erhalten.

„Die Idee ist, das Programm Gesundheitssystemen auf der ganzen Welt zugänglich zu machen. Man braucht nicht mehr als einen Computer und ein digitales Foto“, so die Forscher. Um das System zu trainieren, stellte Nellaker einem Bilderkennungsalgorithmus 1.363 öffentlich zugängliche Fotos von Menschen mit acht genetischen Erkrankungen wie das fragile X-Syndrom und Progerie zur Verfügung.

Der Computer lernte in der Folge jede Krankheit durch ein Muster bestehend aus 36 Gesichtszügen auf jedem Foto zu erkennen. Dazu gehörte die Form der Augen, Augenbrauen, Lippen und Nase. Das Programm analysiert das Foto automatisch und listet Eigenschaften auf. Damit wird eine Beschreibung geliefert, die für die Unterscheidbarkeit wichtig ist. Ein Abgleich mit anderen Personen bringt dann Gewissheit.

Diagnose bereits zu 93 Prozent korrekt

Um die Funktionsfähigkeit des Systems zu überprüfen, analysierte das Team Fotos von Menschen mit bekannten genetischen Erkrankungen. Die Genauigkeit der Software nimmt mit der Anzahl der Fotos einer bestimmten Erkrankung zu. Von den acht ausgewählten Krankheiten standen jeweils zwischen 100 und 283 Fotos zur Verfügung. Die Vorhersagen waren im Durchschnitt zu 93 Prozent richtig.

Seitdem hat das Team die Software verbessert. Sie kann heute 90 Krankheiten erkennen. Eine genaue Diagnose ist aber nicht immer möglich. Basierend auf den 2.754 Gesichtern, die sich derzeit in der Datenbank befinden, gehen die Forscher davon aus, dass die Software es jedoch fast 30 Mal so wahrscheinlich macht, das eine korrekte Diagnose erstellt wird.

Die Analyse eines Fotos von US-Präsident Abraham Lincoln hat ergeben, dass das Programm die Diagnose Marfan-Syndrom als die siebtwahrscheinlichste von 91 möglichen Krankheiten listete. Dabei handelt es sich um eine Krankheit, die zu stark vergrößerten Gesichtszügen führt. Es gibt Theorien, dass Lincoln an dieser Krankheit gelitten haben soll. Die Ergebnisse wurden im Fachmagazin „eLife“ veröffentlicht.

(pte)

HCC Redaktion

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