Betriebliches Eingliederungsmanagement – BGM-Interviewreihe (Teil 7)

Siebter Teil unserer Interviewreihe zum Thema betriebliches Gesundheitsmanagement. Heute spricht Michael Hoeckle, Veranstalter der Messe HUMAN CAPITAL CARE und Geschäftsführer der Eventus49 GmbH, über Betriebliches Eingliederungsmanagement.

Seit 2004 sind Arbeitgeber verpflichtet, erkrankten Beschäftigten ein Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) anzubieten. Was versteht man unter BEM?

Das betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) hat das Ziel, die Arbeitsunfähigkeit zu überwinden und vor allem den Arbeitsplatz des Betroffenen zu erhalten. Genauso soll erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt werden. Es ist ein Teil des betrieblichen Gesundheitsmanagements, welches sich bei missglückter Prävention darum kümmert, dass der Mitarbeiter schnell wieder einsatzfähig ist und in das Unternehmen zurück integriert wird. Dies ist besonders bei längerer Abwesenheit oder schwereren Vorfällen wichtig. Gleichzeitig wird aus Sicht der Prävention betrachtet, welche Maßnahmen vorzunehmen sind, damit ein Rückfall in die Arbeitsunfähigkeit nicht erfolgt. Was leider selbst trotz Verwechslungsgründen nicht darunter fällt, jedoch aus meinen Augen wichtig wäre, ist die betriebliche Integration von ausländischen Mitarbeitern mit anderen Kulturen. Denn Gesundheit fängt dort an, wo man sich wohl fühlt und erhöht die Leistungsfähigkeit der einzelnen durch Beseitigen von Spannungen.

Wann bzw. unter welchen Umständen muss der Arbeitgeber Betriebliches Eingliederungsmanagement nach der gesetzlichen Vorschrift umsetzen?

Laut §84 Abs. 2 SGB IX ist der Arbeitgeber zu einem BEM verpflichtet, wenn ein Arbeitnehmer im Laufe eines Jahres mehr als sechs Wochen krank war oder mindestens sechs Wochen am Stück. Für die Ermittlung der Betroffenen sind von der Personalstelle monatliche Auswertungen zu erfolgen. Das Angebot und die damit erfolgte Einladung bedeutet für den Mitarbeiter, dass es ein freiwilliges Verfahren ist, an dem er oder sie teilnehmen kann. In großen Unternehmen wird eine schriftliche Anmeldung meist mit Rückmeldebogen zugeschickt, in welchem der Betroffene auch erwähnt, welche Beteiligten er im Gespräch dabei haben möchte. Der Text lautet: “Sind Beschäftigte innerhalb eines Jahres länger als 6 Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig, klärt der Arbeitgeber mit der zuständigen Interessenvertretung (…), mit Zustimmung und Beteiligung der betroffenen Person die Möglichkeit, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden wird und mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann (betriebliches Eingliederungsmanagement).”

Neben der gesetzlichen Pflicht: Wann bzw. unter welchen Umständen macht ein Betriebliches Eingliederungsmanagement auch Sinn?

Das gesetzliche ist die eine Seite, die Sinnhaftigkeit die andere. Es gibt im Zuge des Fachkräftemangels eine Kampagne mit dem Titel “Erfahrung ist Zukunft!” und spricht auf die Kompetenz älterer Mitarbeiter an. Dies gilt aber ebenso für die jüngeren Mitarbeiter. Aus Unternehmersicht sind Rekrutierungsmaßnahmen und Einarbeitungszeit sehr zeit- und kostspielig. Besonders einen langjährigen Mitarbeiter zu ersetzen ist schwierig. Aus diesem Grund sind als Bewertungsfaktoren im BGM auch beispielsweise neben der Fehlzeit auch unter anderem die Fluktuation ein Kriterium. Dies ist auch aus wirtschaftlicher Sicht sinnvoll. Wenn jemand mal einen Fall im engeren Kreis der Kollegen oder Familie gehabt hat, weiß, wie gut es ist, dass es solche Regelungen gibt.

Welche Maßnahmen gehören zum BEM und wie könnte man die Umsetzung sowie den Ablauf und Zeitrahmen eines BEM beschreiben?

Die Maßnahmen sind unterschiedlich je nach Art der Eingliederung. Im generellen gibt es drei verschiedene Kategorien: Maßnahmen zur Überwindung von Arbeitsunfähigkeit (Rehabilitationsmaßnahmen), Maßnahmen zur Vorbeugung erneuter Arbeitsunfähigkeit (Präventionsmaßnahmen) und Maßnahmen zum Erhalt des Arbeitsplatzes (Integrationsmaßnahmen). Der Ablauf besteht aus sechs Phasen, der Einleitungsphase, Informationsphase, Zustimmung des Betroffenen, Beginn der Gespräche, weiteren Erörterungen und Ende des BEM, wenn die Fehlzeiten dauerhaft unter die Sechswochengrenze des § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX gesunken sind. Einen Zeitrahmen hierfür gibt es nicht. Wie das BEM konkret abzulaufen hat, ist gesetzlich nicht geregelt. Es ist ein nicht formalisiertes Verfahren, das den Beteiligten jeden denkbaren Spielraum lässt.

Können Sie etwas über die Erfolgsquoten von BEM sagen?

Die Erfolgsquoten sind im Einzelnen sehr individuell, im Generellen rentabel für das Unternehmen. Große Unternehmen setzen schon sehr lange auf das BEM. Die Effizienz des BEM ist allerdings vom Ablauf abhängig. Je mehr durch soziale Kompetenz auf den einzelnen Fall geachtet wird, desto schneller findet man die passenden Notwendigkeiten der Maßnahmen. Die Ursache liegt darin, dass nach einem Vorfall neben der gesundheitlichen Genesung die psychische Genesung zur optimalen Wiedereingliederung der Arbeitskraft von großer Bedeutung ist und über den Erfolg bestimmt. Dies gilt nicht nur für Burnout-Patienten. Auch beispielsweise kann ein schwerer Autounfall mit einem Grad an körperlicher Behinderung einen Mitarbeiter dazu bringen, sich emotional ausgeschlossen zu fühlen.

Wie werden Angebote für Betriebliches Eingliederungsmanagement in der Regel von den betroffenen Arbeitnehmern angenommen?

In der Regel nehmen Arbeitnehmer das Angebot dankend an, wenn man sensibel auf diese zugeht. Die Kontaktaufnahme mit einem reinen Formschreiben ist hier fehl am Platz. Formell ist dies ein Schritt, der persönliche Kontakt ist allerdings der Schlüssel, ob das Angebot angenommen wird. Hierzu sollten idealerweise geschulte Personen herangezogen werden. Der Personaler oder Chef sollte den ersten Schritt machen, dann jedoch an eine neutrale Person übergeben, die in engem Kontakt mit dem Arbeitgeber und Verantwortlichen steht. In sehr kleinen Unternehmen, wo eine enge Beziehung zum Chef bestehen kann lässt es sich oftmals zwischenmenschlich lösen. Dies ist aber nicht die Regel.

Was passiert, wenn ein Arbeitnehmer das BEM-Angebot nicht annimmt?

Da das Angebot freiwillig ist, muss der Arbeitnehmer dieses nicht annehmen. Der Betriebsrat hat allerdings das Recht, die Kontaktdaten der Betroffenen einzufordern und auf eigene Initiative einzuschreiten, selbst wenn der Betroffene der Weitergabe nicht zugestimmt hat. Dennoch bleibt die Annahme des Angebotes weiterhin freiwillig.

Vielen Dank für das Gespräch!

In den nächsten Interviews dieser Reihe wird Michael Hoeckle verschiedene Best-Practice-Beispiele für betriebliches Gesundheitsmanagement vorstellen.

HCC Redaktion

... schreibt über alle möglichen Themen rund um Mitarbeitergesundheit und Personal. Wichtige Schwerpunkte liegen auf der Arbeitsplatzgestaltung, Psyche, Ernährung, Bewegung und weiteren Einflussfaktoren nachhaltiger Gesundheitsprävention. Neben Fachartikeln und Tipps & Tricks-Beiträgen werden Interviews mit einschlägigen Persönlichkeiten zu BGM, BGF und mehr veröffentlicht.

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