Ergonomie am Arbeitsplatz – Interview mit Orthopäde Dr. Uwe Heldmaier

Ergonomie Bild: Dr. Uwe Heldmaier, Tübingen

Der 2. HCC-Themenabend fand am 24. Januar 2013 zum Thema “Die Ergonomische Gestaltung eines Schreibtischarbeitsplatzes” statt. Dort referierte unter anderem Dr. med. Uwe Heldmaier über seine jahrelangen Erfahrungen auf dem Gebiet der rückengerechten und ergonomischen Arbeitsplatzgestaltung. Mit Herrn Dr. Heldmaier sprachen wir nach dem Themenabend noch einmal genauer zum Thema Ergonomie.

Herr Heldmaier, Sie sind Orthopäde und Rückenspezialist. Bitte stellen Sie sich und Ihre Arbeitsschwerpunkte kurz vor!

Ergonomie Bild: Dr. Uwe Heldmaier, Tübingen
Bild: Dr. Uwe Heldmaier, Tübingen

Jeder zweite Patient in einer orthopädischen Praxis kommt wegen Rückenschmerzen, vorkommend vor allem bei Patientinnen und Patienten mit Berufen an Büroarbeitsplätzen. Ein Tätigkeitsschwerpunkt von mir als niedergelassener Facharzt für Orthopädie ist die ergonomische Schulung und Beratung bei orthopädischen Problemen am Büroarbeitsplatz. Hierzu ist in der Praxis ein ergonomischer Musterarbeitsplatz eingerichtet, um eine problembezogene Analyse und Empfehlung durchführen zu können. Dies ist eine wesentliche Hilfe zur Prophylaxe und Therapie von Erkrankungen des Bewegungsapparates und unterstützt viele Geplagte dabei, wieder schmerzfrei am PC arbeiten zu können. Patienten werden in der Praxis nicht nur mit ihren Erkrankungen behandelt sondern auch eine Ursachenforschung betrieben. Der Patient wird konkret an einem Musterarbeitsplatz geschult, um auch zukünftig die Entstehung von ähnlichen Problemen zu verhindern

Was sind die häufigsten Probleme am modernen Büro- und Bildschirmarbeitsplatz?

Die häufigsten Symptome, die wir behandeln, sind:

– Spannungskopfschmerzen,
– verspannungsbedingte Schulter- und Nackenbeschwerden,
– Rückenschmerzen,
– Sehnen- und Sehnenscheidenentzündungen,
– Karpaltunnelsyndrom,
– Mausarmsyndrom,
– Repetitive Strain Injury-Syndrom (RSI-Syndrom)

Auf was sind diese Probleme zurückzuführen?

Immer mehr Menschen üben eine sitzende Tätigkeit aus, die überwiegende Mehrheit arbeitet dabei an einem Computerarbeitsplatz. Aus gesundheitlicher Sicht ist diese Entwicklung eher kritisch zu sehen, denn durch zunehmenden Bewegungsmangel und einseitige Körperhaltungen lauern hier einige Risiken, die nur durch spezielle Maßnahmen ausgeräumt werden können.

Zunehmendes Sitzen mit starren Blickhaltungen auf den Monitor und monotonen Bewegungen mit Hand und Arm sind mit verantwortlich für die Zunahme orthopädischer Probleme.

Was können bereits Betroffene dagegen tun und welche Präventionsmaßnahmen gibt es?

Bereits Betroffene sollten neben einer fachärztlichen Behandlung der Schmerzen eine Ursachenforschung betreiben.

Wir analysieren in unserer Praxis hierbei zunächst den Körper mittels einer 3D-Videorasterstereometrie. Kennen wir die individuelle Körperform und die biometrischen Daten, können wir viel leichter an unserem Musterarbeitsplatz den Patienten analysieren und Verhaltensfehler finden.

Wie sollte ein ergonomischer Büroarbeitsplatz idealerweise aussehen?

Der Bürostuhl und Schreibtischhöhe sollte gemäß den individuell erhobenen biometrischen Daten wie Körpergröße, Wirbelsäulenform etc. exakt eingestellt werden. Der nächste Punkt ist die ergonomische Anordnung und Verwendung von Eingabegeräten wie Maus und Tastatur sowie Einstellung des Monitors unter Berücksichtigung der gängigen Leitlinien der Berufsgenossenschaften (BGI 650).

So braucht beispielsweise ein Patient mit Schulterproblemen eine andere oft schmalere Tastatur, um die Schulter nicht unnötig weit abspreizen zu müssen sowie eine Armstütze, um den Schultergürtel zu entlasten. Patienten mit Lendenwirbelsäulenbeschwerden sollte eher den Schwerpunkt auf die Lordoseunterstützung setzen und Patienten mit Sehnenscheidenreizungen benötigen neben einer Tastatur mit Gefälle nach vorne eine Vertikalmaus zur Entlastung der Sehnen, um hier nur einige orthopädisch spezifischen Besonderheiten zu nennen.

Was können Büroarbeiter selbst zur Verbesserung der Ergonomie beitragen?

Neben der oben erwähnten Einstellungen von Bürostuhl, Schreibtisch, Maus, Tastatur und Monitor ist ganz entscheidend auch eine aufrechte und gerade Haltung am Büroarbeitsplatz, da dies die Bänder und Bandscheiben am wenigsten belastet und somit die Entstehungen von Verspannungen vermieden werden kann.

Außerdem ist ein ganz entscheidender Aspekt die Symmetrie. Der Körper ist symmetrisch gebaut, daher sollten auch alle Tätigkeiten so durchgeführt werden, dass der Körper einigermaßen gleichmäßig belastet wird. Alle Asymmetrien wie einseitige schräge Blickrichtungen und schräge Kopf- und Körperhaltung sind strikt zu vermeiden. Vergessen Sie nicht als Rechtshänder auch die linke Hand einzusetzen.

Vielen Dank für das Gespräch!

Dr. med. Uwe Heldmaier ist Facharzt für Orthopädie, Unfallchirurgie, Kinderorthopädie, Sportmedizin und Manuelle Medizin. In der Orthopädischen Praxis Dr. Heldmaier liegt ein Schwerpunkt auf der orthopädisch-ergonomischen Beratung und Schulung bei orthopädischen Problemen am Büroarbeitsplatz. Neben einer orthopädisch-fachärztlichen Diagnostik und Therapie werden Patientinnen und Patienten konkret an einem ergonomisch optimalen Musterarbeitsplatz geschult. Homepage: www.praxis-heldmaier.de

weiterführender Artikel: Ergonomie nach Maß – Büroarbeitsplätze den Körpermaßen anpassen (HCC-Magazin, 30. Januar 2013)

HCC Redaktion

... schreibt über alle möglichen Themen rund um Mitarbeitergesundheit und Personal. Wichtige Schwerpunkte liegen auf der Arbeitsplatzgestaltung, Psyche, Ernährung, Bewegung und weiteren Einflussfaktoren nachhaltiger Gesundheitsprävention. Neben Fachartikeln und Tipps & Tricks-Beiträgen werden Interviews mit einschlägigen Persönlichkeiten zu BGM, BGF und mehr veröffentlicht.

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